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Einkommensteuer | Verfassungsmäßigkeit des in § 52 Abs. 10 Satz 4 EStG enthaltenen Anwendungsbefehls (FG)

Gegen den in § 52 Abs. 10 Satz 4 EStG enthaltenen Anwendungsbefehl, der die Anwendung des § 5a Abs. 4 Satz 5 bis 7 EStG für alle Wirtschaftsjahre nach dem 31.12.1998 regelt, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, da es sich nicht um eine echte Rückwirkung handelt. Der Gesetzgeber hat mittels der neu eingefügten Sätze 5 bis 7 des § 5a Abs. 4 EStG vielmehr die bestehende, über Jahrzehnte geübte Verwaltungspraxis formal in Gesetzesform gegossen und ihre Anwendbarkeit für alle Wirtschaftsjahre nach dem 31.12.1998 sichergestellt (FG Schleswig-Holstein, Urteile v. 27.4.2022 - 5 K 46/21, 5 K 47/21 (deckungsgleich) sowie 5 K 48/21).

Hintergrund: Gemäß § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG ist ein nach Maßgabe des § 5a Abs. 4 Satz 1 EStG ermittelter und nach Satz 2 gesondert und einheitlich festgestellter Unterschiedsbetrag in dem Jahr des Ausscheidens eines Gesellschafters hinsichtlich des auf ihn entfallenden Anteils aufzulösen und dem Gewinn hinzuzurechnen. Der aufzulösende Betrag wird dem Gewinnanteil desjenigen Mitunternehmers anlässlich seines Ausscheidens aus der Gesellschaft zugerechnet, für den im Feststellungsbescheid nach § 5a Abs. 4 Satz 2 EStG entsprechende Anteile an Unterschiedsbeträgen festgestellt wurden.

Nach der jahrzehntelang geltenden Verwaltungsauffassung und -praxis ging der Unterschiedsbetrag bei einer Buchwertfortführung auf den Rechtsnachfolger über. Entsprechend erfolgte beim Rechtsvorgänger keine Hinzurechnung (BMF, Schreiben v. 12.6.2002 - IV A 6 - S 2133a - 11/02, BStBl. I 2002, 614, Rd. 28, in der Fassung des BMF-Schreibens v. 31.8.2008 - IV C 6 - S 2133-a/07/10001, BStBl. I 2008, 956). Diese sich im Widerspruch zum Gesetzeswortlaut befindliche Anwendungspraxis hatte ihren Hintergrund in einer sachlichen Billigkeit, weil anderenfalls in den Fällen eine erhebliche Schlechterstellung vorgelegen hätte, in denen die Sonderabschreibung nach § 82 f EStDV in Anspruch genommen worden war.

Nach dem Urteil des FG Hamburg v. 19.12.2017 - 2 K 277/16, sollte der Unterschiedsbetrag bei steuerneutralen Anteilsübertragungen zu Buchwerten (§ 6 Abs. 3 EStG, § 24 UmwStG) hingegen nicht auf den Rechtsnachfolger des Gesellschafters übergehen. Der BFH hatte mit Urteilen v. 28.11.2019 -IV R 28/19 und v. 29.4.2020 - IV R 17/19 die vom FG Hamburg vertretene Ausfassung bestätigt und entschieden, dass der in § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG angeführte Tatbestand des Ausscheidens eines Gesellschafters auch Übertragungen nach § 6 Abs. 3 EStG umfasse: Der Begriff des Ausscheidens in § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG umfasse jedes Ausscheiden eines Gesellschafters, d.h. jeden Verlust der (unmittelbaren) Mitunternehmerstellung, unabhängig davon, ob der Gesellschafter unentgeltlich oder entgeltlich, im Wege der Einzel- oder der Gesamtrechtsnachfolge ausscheide. Danach scheide auch derjenige im Sinne des § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG aus, der seinen Anteil unentgeltlich auf einen anderen übertrage, sei es im Wege der Einzel- oder der Gesamtrechtsnachfolge (BFH, Urteil v. 1.10.2020 - IV R 4/18).

Die Neufassung des § 5a Abs. 4 EStG durch das Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz v. 2.6.2021 (BGBl. I 2021, 1259) stellt nach Auffassung des 5. Senats des FG Schleswig-Holstein eine Reaktion des Gesetzgebers auf diese Rechtsprechung dar:

  • In Bezug auf § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG hat der Gesetzgeber klargestellt, dass eine Minderung einer Beteiligung eines Gesellschafters lediglich zu einer entsprechenden anteiligen Hinzurechnung des Unterschiedsbetrages fĂĽhrt.

  • In den neu eingefĂĽgten Sätzen 5 und 6 des 4. Absatzes wird fĂĽr unentgeltliche Ăśbertragungen nach § 6 Abs. 3 EStG geregelt, dass in Fällen einer Ăśbertragung eines Betriebes, Teilbetriebes oder Anteils eines Mitunternehmers an einem Betrieb zum Buchwert der Unterschiedsbetrag insoweit auf den Rechtsnachfolger ĂĽbergeht und beim Ăśbertragenden entsprechend keine Hinzurechnung erfolgt.

  • Damit wird die bisherige Verwaltungsauffassung und -praxis in Gesetzesform gegossen.

  • SchlieĂźlich wird unter Bezugnahme auf § 182 Abs. 2 Satz 1 AO klargestellt, dass ein gegenĂĽber dem Rechtsvorgänger festgestellter Unterschiedsbetrag in den Fällen, in denen er beim Rechtsvorgänger nicht hinzuzurechnen ist, ohne gesonderten Verwaltungsakt gegenĂĽber dem Rechtsnachfolger wirkt.

Hinweis:

Die gegen die Urteile eingelegten Revisionen sind beim BFH unter den Az. IV R 12/22, IV R 13/22 und IV R 14/22 anhängig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Newsletter 2022-III (il)

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