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FrĂŒher litten wir an Verbrechen, heute an Gesetzen (Kopie 1)

Der Spruch des römischen Historikers und Senators, Publius Cornelius Tacitus ist heute aktueller denn je. Wir versuchen alles durch ein Gesetz zu regeln, was sich regeln lässt, niemand vermag mehr die Anzahl unserer Gesetze zu zählen. Die Folge ist eine Flut von Verwaltungsanweisungen zur Interpretation des Gesetzes, was wiederum eine Flut von Rechtsstreiten vor den Gerichten nach sich zieht. Und wenn dann ein Urteil nicht im Sinne der Macher des Gesetzes ausfällt, wird das Gesetz eben wieder geändert. So nährt sich das System selbst. Unser Dozent Herr Ralf Sikorski hat in seinem aktuellen Werk „Im Namen des Volkes“ Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung auf‘s Korn genommen und insbesondere lesenswerte Urteile zusammengetragen, bei denen der Richter mit spitzer Feder und feinfĂŒhligem Humor Stellung nimmt und nicht einfach nur entscheidet. Jedes Urteil eine StilblĂŒte ganz eigener Art. Aber entscheiden Sie selbst, denn er hat dabei jeweils nicht nur jedes einzelne Urteil recherchiert, sondern auch die passenden und lesenswerten Testpassagen im Original abgedruckt.

Aus dem Buch "Im Namen des Volkes" von Dipl.-Finanzwirt Ralf Sikorski mit Zeichnungen von Karikaturist Philipp Heinisch (erschienen im Erich-Schmidt-Verlag)

Die beste Arbeit ist das hochbezahlte Hobby

FreizeitbeschĂ€ftigungen werfen mitunter hohe Kosten auf, die man immer wieder gerne dem Finanzamt gegenĂŒber steuermindernd erklĂ€rt. Und so musste allen Ernstes das Finanzgericht Rheinland-Pfalz entscheiden, ob die Anschaffung von mehr als 20 000 Skeletten (!) beim KĂ€ufer den Begriff der Werbungskosten auslöst.

Dr. Paul Winkelmann war Anthropologe aus Leidenschaft, eine Leidenschaft, die schon drei Ehen zugrunde gerichtet hatte. Er verbrachte einfach viel lieber seine Zeit im Labor oder im Hörsaal der UniversitĂ€t, an der er lehrte, als zu Hause. Auch solche Menschen muss es geben. Im Streitjahr bereiste Dr. Winkelmann fĂŒr einige Wochen Nordamerika und brachte – wie dies auf solchen Reisen ĂŒblich ist – einige Souvenirs mit. Dies waren allerdings keine der ĂŒblichen Schneekugeln mit dem Empire State Buildung oder den Niagara-FĂ€llen, sondern unter anderem 5 teure, alte FachbĂŒcher und – nur ungewöhnlich fĂŒr uns normale Menschen – 33 menschliche SchĂ€del. Ausweislich der von ihm selbst ausgestellten Bescheinigung der UniversitĂ€t fĂŒr das Streitjahr ist eines seiner Spezialgebiete Zahnmorphologie und -pathologie.

Im Rahmen seiner SteuererklĂ€rungen fĂŒr die letzten sieben Jahre machte Dr. Winkelmann immer wieder hohe Aufwendungen fĂŒr den Ankauf von Knochen und SchĂ€deln (Skelettmaterial) sowie Fachliteratur geltend. Die Aufwendungen dieser Jahre summierten sich einschließlich umfangreicher Reisekosten letztlich auf rund 480.000 DM (Hinweis fĂŒr unsere jĂŒngeren Leser: die „Deutsche Mark“ (DM) war einmal eine WĂ€hrung in der Bundesrepublik Deutschland). Den Aufwendungen stand jeweils ein Bruttoarbeitslohn von jĂ€hrlich rund 120.000 DM entgegen. Nach eigenem Sachvortrag des KlĂ€gers besitzt er zwischenzeitlich 12 000 frĂŒhhistorische und 1 000 prĂ€historische menschliche und tierische SchĂ€del und zudem 7 000 weitere Skelettteile. Das gesamte Material diene ausschließlich Forschungszwecken und habe einen hohen wissenschaftlichen Wert. So habe beispielsweise ein SchĂ€del aus Nordafrika mittlerweile allein einen Wert von ca. 1 Million DM. Er werde deshalb auch im Tresor der UniversitĂ€t aufbewahrt. Das gesamte Material – so der Einwand des KlĂ€gers – sei ausschließlich fĂŒr den Lehrbetrieb bestimmt.

Die zustĂ€ndigen Richter trafen folgende sicherlich auch fĂŒr einen ungeĂŒbten Rechtsanwender als weise einzustufende Entscheidung (FG Rheinland-Pfalz vom 30.11.1994, 1 K 1951/93):

„Erwirbt ein Anthropologe im Laufe der Zeit mehr als 20 000 menschliche SchĂ€del und Skelettteile, so steht dem diesbezĂŒglichen Werbungskostenabzug § 12 Nummer 1 Satz 2 Einkommensteuergesetz entgegen. Die berufliche Veranlassung wird in diesem Fall durch eine private Sammelleidenschaft ĂŒberlagert.“

Unter BerĂŒcksichtigung aller UmstĂ€nde mochte sich der erkennende Senat des Eindrucks nicht zu verwehren, dass zur Anschaffung der streitbefangenen BĂŒcher und Skelettteile nicht eine berufliche Motivation, gerichtet auf das mit ihrer Hilfe geplante wissenschaftliche Arbeiten, fĂŒr den KlĂ€ger ausschlaggebend war, sondern doch eher private UmstĂ€nde. Es erschien den Richtern insbesondere wenig glaubhaft, dass der KlĂ€ger mit Hilfe veralteter BĂŒcher neue wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen will.

Und jetzt kommt die wirklich ĂŒberzeugende BegrĂŒndung, warum dem Steuerpflichtigen gar keine Kosten entstanden sind, selbst wenn man die berufliche Veranlassung der Anschaffungen akzeptieren wĂŒrde: Diese Dinge nutzen nicht ab!

„UnabhĂ€ngig hiervon kommt eine Absetzung fĂŒr Abnutzung fĂŒr die erworbenen SchĂ€del nicht in Betracht, weil eine wirtschaftliche oder technische Abnutzung nicht angenommenen werden kann; die ausgegrabenen GegenstĂ€nde unterliegen keinem Wertverzehr.“

Da sich die (unterstellte) berufliche Nutzung der angeschafften BĂŒcher und insbesondere der Skelette (!) erfahrungsgemĂ€ĂŸ ĂŒber einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstrecken wĂŒrde, wĂ€ren die Aufwendungen allenfalls ĂŒber die anzusetzende Abschreibung (Absetzung fĂŒr Abnutzung) zu berĂŒcksichtigen gewesen. Dies setzt aber voraus, dass die betreffenden GegenstĂ€nde abnutzbar sind. Dies ist hier aber nicht der Fall, denn die GegenstĂ€nde verlieren durch ihren bestimmungsgemĂ€ĂŸen Gebrauch wirtschaftlich nicht an Wert. Auch die Tatsache, dass der KlĂ€ger, obwohl er mehr als 20 000 menschliche und tierische SchĂ€del und andere Skelettteile besitzt, immer weiteres Material erwirbt, welches wirtschaftspolitisch nicht abnutzt, spreche fĂŒr eine private Sammlerleidenschaft und nicht fĂŒr eine berufliche Veranlassung.

Dipl.-Finanzwirt Ralf Sikorski ist nach langjĂ€hriger DozententĂ€tigkeit an der Fachhochschule fĂŒr Finanzen in Nordrhein-Westfalen heute Sachgebietsleiter in einem Finanzamt. Seine Dozentenrolle nimmt er daneben immer noch bei zahlreichen Fortbildungsveranstaltungen wahr. DarĂŒber hinaus hat er sich als Autor diverser steuerlicher Lehr- und PraktikerbĂŒcher einen Namen gemacht. Seine StilblĂŒtensammlungen „Meine Frau ist eine außergewöhnliche Belastung“, „Wo bitte kann ich meinen Mann absetzen“ und „Ich war Hals ĂŒber Kopf erleichtert“ sowie das MĂ€rchenbuch „Von Steuereyntreibern und anderen Blutsaugern“ runden sein vielfĂ€ltiges TĂ€tigkeitsbild ab. Der o. g. Text ist seinem aktuellen satirischen Werk „Im Namens des Volkes“ entnommen.

ErhÀltlich ist das Buch hier im Erich-Schmidt-Verlag

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