Der BFH zweifelt an der bislang uneingeschränkt angenommenen Pflicht zur Vorfinanzierung der Umsatzsteuer durch den zur Sollbesteuerung verpflichteten Unternehmer. Er hat daher ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet (BFH, Beschluss vom 21.06.2017 - V R 51/16; veröffentlicht am 20.09.2017).
Sachverhalt: Die Klägerin ist im bezahlten Fußball als Spielervermittlerin tätig. Sie unterlag der sog. Sollbesteuerung, bei der der Unternehmer die Umsatzsteuer bereits mit der Leistungserbringung unabhängig von der Entgeltvereinnahmung zu versteuern hat. Bei der Vermittlung von Profifußballspielern erhielt sie Provisionszahlungen von den aufnehmenden Fußballvereinen. Der Vergütungsanspruch für die Vermittlung setzte dem Grunde nach voraus, dass der Spieler beim neuen Verein einen Arbeitsvertrag unterschrieb und die DFL-GmbH als Lizenzgeber dem Spieler eine Spielerlaubnis erteilte. Die Provisionszahlungen waren in Raten verteilt auf die Laufzeit des Arbeitsvertrages zu leisten, wobei die Fälligkeit und das Bestehen der einzelnen Ratenansprüche unter der Bedingung des Fortbestehens des Arbeitsvertrages zwischen Verein und Spieler standen. Das FA ging davon aus, dass die Klägerin ihre im Streitjahr 2012 erbrachten Vermittlungsleistungen auch insoweit bereits in 2012 zu versteuern habe, als sie Entgeltbestandteile für die Vermittlungen vertragsgemäß erst im Jahr 2015 beanspruchen konnte. Hierzu führte der BFH weiter aus:
  • Die Sichtweise des FA entspricht einer jahrzehntelang geĂĽbten Besteuerungspraxis. Es ist aber zu bezweifeln, ob dies mit den bindenden Vorgaben des Unionsrechts, der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 ĂĽber das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, vereinbar ist.
  • Auf die Vorlage soll der EuGH insbesondere entscheiden, ob der Steuerpflichtige verpflichtet ist, die fĂĽr die Leistung geschuldete Steuer fĂĽr einen Zeitraum von zwei Jahren vorzufinanzieren, wenn er die VergĂĽtung fĂĽr seine Leistung (teilweise) erst zwei Jahre nach Entstehung des Steuertatbestands erhalten kann.
  • Die dem EuGH in dieser Rechtssache vorlegten Fragen sind von erheblicher Praxisbedeutung. Sie beziehen sich in erster Linie auf bedingte VergĂĽtungsansprĂĽche, können aber auch bei befristeten ZahlungsansprĂĽchen wie etwa beim Ratenverkauf im Einzelhandel oder bei einzelnen Formen des Leasing von Bedeutung sein.
  • Auch hier besteht nach gegenwärtiger Praxis fĂĽr den der Sollbesteuerung unterliegenden Unternehmer die Pflicht, die Umsatzsteuer fĂĽr die Warenlieferung bereits mit der Ăśbergabe der Ware vollständig abfĂĽhren zu mĂĽssen. Dies gilt nach bisheriger Praxis auch dann, wenn er einzelne Ratenzahlungen erst ĂĽber eine Laufzeit von mehreren Jahren vereinnahmen kann.
Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 59/2017 vom 20.09.2017 (Sc)Hauptbezug: BFH, Beschluss vom 21.06.2017 - V R 51/16, NWB DokID: QAAAG-57389Verwandte Artikel:
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