Nachdem bereits das FG Berlin Brandenburg und das FG Münster ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 27 Abs. 19 UStG geäußert haben, hat sich dieser Auffassung nun auch der 16. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts angeschlossen. Im Streitfall gewährte das Finanzgericht dennoch keine Aussetzung der Vollziehung, da eine Berufung auf den Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 2 AO hier nicht in Betracht kommen könne. Der Erlass eines Umsatzsteuerjahresbescheids führe nicht zu einer Änderung der bisherigen Voranmeldungen i.S. des § 176 AO (FG Niedersachsen, Beschluss v. 3.7.2015 - 16 V 95/15).Hintergrund: Anders als in den damals gültigen Verwaltungsanweisungen urteilte der BFH am 22.8.2013 (Urteil: V R 37/10), dass Bauträger für bezogene Leistungen nicht Steuerschuldner nach § 13b UStG sind. Das BMF schloss sich mit dem Schreiben v. 5.2.2014 (NWB DokID: KAAAE-55028) dieser Rechtsauslegung an. Unklar blieb, ob die Finanzbehörden die Steuer dann rückwirkend von den Bauleistenden einfordern können oder diese sich auf den Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 2 AO berufen können. Nach § 176 Abs. 2 AO darf bei der „Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids“ nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass eine allgemeine Verwaltungsvorschrift von einem obersten Gericht als nicht mit dem geltenden Recht im Einklang stehend bezeichnet worden ist. Mit dem Kroatien-Steueranpassungsgesetz wurde eine Abtretungsregelung in Form des § 27 Abs. 19 UStG geschaffen, der Vertrauensschutz an dieser Stelle ausschließt. Sachverhalt: Die Antragstellerin betreibt einen Heizungs- und Lüftungsbau. Im Streitjahr 2013 erbrachte sie u.a. Leistungen gegenüber einer GmbH. In den von der Antragstellerin erteilten Abrechnungen wurde keine Umsatzsteuer ausgewiesen; sie enthielten einen Hinweis auf die Steuerschuldnerschaft der GmbH als Leistungsempfängerin. Mit Schreiben v. 24.9.2014 beantragte die GmbH bei dem für sie zuständigen Finanzamt unter Berufung auf das o.g. BFH-Urteil, nicht mehr Steuerschuldner für diese Umsätze zu sein. Daraufhin weis das Finanzamt die Antragstellerin darauf hin, dass sie nunmehr diesen Umsatz als Steuerschuldnerin zu versteuern habe. Die Antragstellerin wurde auch darauf hingewiesen, dass sie die sich aus den berichtigten Rechnungen gegenüber der GmbH entstehenden Ansprüche auf Zahlung der Umsatzsteuer an das Finanzamt abtreten könne. Da über das Vermögen der GmbH zwischenzeitlich das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, verweigerte die Antragstellerin zunächst die Abtretung. Das Finanzamt erließ daraufhin einen Umsatzsteuerbescheid für 2013, in dem es die fraglichen Leistungen berücksichtigte. Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin Einspruch und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Hierzu führt das Finanzgericht weiter aus:
  • Der Senat teilt im Grundsatz die ernsthaften Zweifel des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg (Az. 5 V 5026/15) an der Verfassungsmäßigkeit des § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG n.F.
  • Aber selbst wenn man zugunsten der Antragstellerin die Anwendung des § 176 Abs. 2 AO in Betracht zieht, ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids. § 176 Abs. 2 AO ist auf die vorliegende Konstellation nicht anwendbar.
  • Im Streitfall mangelt es an der Tatbestandsvoraussetzung „Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids“. Mit den Begriffen der Aufhebung oder Änderung verweist § 176 Abs. 1 und Abs. 2 AO nach seinem Wortlaut auf § 172 Abs. 1 Satz 1 AO, nicht aber auch auf die anderweitige Erledigung i.S. des § 124 Abs. 2 AO.
  • Der Erlass eines Umsatzsteuerjahresbescheids oder der Eingang einer Umsatzsteuererklärung führt als Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 18 Abs. 3 UStG) zu einer anderweitigen Erledigung eines Bescheids über den Umsatzsteuervoranmeldungszeitraums oder der bislang eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen i.S. von § 124 Abs. 2 AO.
  • Durch den Erlass des Umsatzsteuerjahresbescheids oder den Eingang einer Umsatzsteuererklärung kommt es nicht zu einer Änderung des bislang vorliegenden Voranmeldungsfestsetzungen.
  • Darüber hinaus regelt der Umsatzsteuerjahresbescheid oder die Jahreserklärung ein mit den einzelnen Voranmeldungszeiträumen nicht identisches Steuerrechtsverhältnis, wie sich bereits daraus ergibt, dass beide Bescheide, auch wenn sie dasselbe Kalenderjahr betreffen, unterschiedliche Zeiträume dieses Jahres erfassen.
  • Im Übrigen sind auch keine Umstände erkennbar, die es rechtfertigen könnten, das Vertrauen in einen Voranmeldungsbescheid oder eine Voranmeldung zu schützen.
Hinweis: Für Bauleistende, die bis zur Änderung der Verwaltungsauffassung (das Finanzgericht stellt auf den 13.1.2014 ab, gemeint ist aber wohl das BMF, Schreiben v. 5.2.2014; NWB DokID: KAAAE-55028) ihre Umsatzsteuer-Jahreserklärung insbesondere für das Jahr 2013 noch nicht abgegeben haben, versagt das FG Niedersachsen im Ergebnis den Vertrauensschutz. Eine Ausführliche Besprechung zu dieser Entscheidung finden Sie in der NWB Heft 35/2015 S. 2576 (NWB DokID: XAAAE-99135). Hauptbezug: FG Niedersachsen, Beschluss v. 3.7.2015 - 16 V 95/15, NWB DokID: VAAAE-96924Verwandte Artikel:
  • Streit/Fietz, Aktuelles zum Vertrauensschutz für Bauleistende - Erste finanzgerichtliche Entscheidungen bestätigen Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 2 AO teilweise, NWB 35/2015 S. 2576, NWB DokID: XAAAE-99135
  • Seifert, Umkehr der Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen: Rückwirkende Umsatzsteuerpflicht verstößt gegen Vertrauensschutz, StuB 13/2015 S. 509, NWB DokID: DAAAE-93816
  • Zur möglichen Rechtsunsicherheit bei Bauleistungen, NWB 33/2015 S. 2421, NWB DokID: DAAAE-97218
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