Nicht jeder Schreibtischarbeitsplatz in dem Praxisraum eines selbständig Tätigen stellt einen "anderen Arbeitsplatz" i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG dar (BFH, Urteil vom 22.02.2017 - III R 9/16; veröffentlicht am 19.04.2017).
Hintergrund: Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG besteht ein Abzugsverbot für Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer; dieses gilt allerdings nicht, "wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht" (Satz 2). Sachverhalt und Verfahrensgang: Der Kläger war als Logopäde in angemieteten Räumen an zwei Standorten tätig. In seinen Einkommensteuererklärungen machte er Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in der eigenen Wohnung als Betriebsausgaben geltend. Das Finanzamt vertrat die Ansicht, dass dem Kläger für Bürotätigkeiten ein anderer Arbeitsplatz als im häuslichen Arbeitszimmer zur Verfügung stand und daher nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG die Kosten des Arbeitszimmers nicht als Betriebsausgabe anerkannt werden könnten. Hiergegen wendete der Kläger ein, die Praxen seien allein für die Behandlung von Patienten ausgestattet und nicht als Büro nutzbar. Die Klage hatte in allen Instanzen Erfolg. Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:
  • Dem Kläger stand kein "anderer Arbeitsplatz" i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG zur VerfĂĽgung.
  • "Anderer Arbeitsplatz" i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG ist grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung bĂĽromäßiger Arbeiten geeignet ist. Weitere Anforderungen an die Beschaffenheit des Arbeitsplatzes sind nicht zu stellen.
  • Allerdings muss der "andere Arbeitsplatz" so beschaffen sein, dass der Steuerpflichtige auf das häusliche Arbeitszimmer nicht angewiesen ist (BFH, Urteil vom 26.02.2014 - VI R 40/12, BStBl II 2014, 568).
  • Auch ein selbständig Tätiger kann auf ein (zusätzliches) häusliches Arbeitszimmer angewiesen sein. Ob dies der Fall ist, hat das FG als Tatsacheninstanz im Rahmen einer GesamtwĂĽrdigung der objektiven Umstände des Einzelfalls zu prĂĽfen.
  • Anhaltspunkte können sich sowohl aus der Beschaffenheit des Arbeitsplatzes selbst (Größe, Lage und Ausstattung etc.) als auch aus den Rahmenbedingungen der Nutzung (Ausgestaltung der Nutzung der Betriebsräume, VerfĂĽgbarkeit des Arbeitsplatzes, zumutbare Möglichkeit der Einrichtung eines auĂźerhäuslichen Arbeitsplatzes) ergeben.
Hinweis: Im Streitfall ergab sich aus den tatsächlichen Gegebenheiten (Nutzung der Räume durch die Angestellten, Tätigkeit des Klägers außerhalb der Praxis, die Größe, die Ausstattung, die konkrete Nutzung der Praxisräume durch die vier Angestellten, Vertraulichkeit der für die Bürotätigkeit erforderlichen Unterlagen und den Umfang der Büro- und Verwaltungstätigkeiten) eine Unzumutbarkeit der Nutzung der Praxisräume als außerhäusliches Arbeitszimmer. Quelle: BFH, Urteil vom 22.02.2017 - III R 9/16; NWB Datenbank (il) Hauptbezug: BFH, Urteil vom 22.02.2017 - III R 9/16, NWB DokID: TAAAG-42960Verwandte Artikel:
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