Das OLG Stuttgart hat der Berufung einer Bausparerin stattgegeben, die sich gegen die Kündigung ihres Bausparvertrages wehrt. In erster Instanz hatte das LG Stuttgart die Klage abgewiesen. Das OLG hat diese Entscheidung zu Gunsten der Klägerin abgeändert (OLG Stuttgart, Urteil v. 30.3.2016 - 9 U 171/15; Revision zugelassen).Hintergrund: Nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann ein Darlehnsnehmer einen Darlehnsvertrag mit einem festen Sollzinssatz in jedem Fall nach Ablauf von 10 Jahren seit dem vollständigen Empfang des Darlehns mit sechsmonatiger Frist kündigen. Sachverhalt: Die Klägerin hatte 1978 einen Bausparvertrag mit einer Bausparsumme von rund 20.500 €) abgeschlossen. Für die Laufzeit erhielt sie für von ihr eingezahlte Raten einen Guthabenzinssatz von 3% p.a. bei einem Bauspardarlehenszinssatz von 5% p.a. Der Vertrag wurde 1993 zuteilungsreif. Nach Zuteilungsreife stellte die Bausparerin die regelmäßige Zahlung der Sparraten ein, ohne ein Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen. Knapp 22 Jahre nach Eintritt der Zuteilungsreife kündigte die Bausparkasse den Vertrag. Das Bausparguthaben belief sich zu diesem Zeitpunkt auf ca. 15.000 €; die Bausparsumme war also nicht vollständig angespart. Das OLG Stuttgart hält die Kündigung der Bausparkasse für unberechtigt:
  • Die Bausparkasse kann sich nicht auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB berufen.
  • Nach den Allgemeinen Bausparbedingungen (§ 5 Abs. 1 ABB) ist der Bausparer verpflichtet, Regelsparbeiträge bis zur erstmaligen Auszahlung der Bausparsumme zu zahlen.
  • Vor Ende dieser Pflicht hat die Bausparkasse das als Darlehen anzusehende Guthaben nicht vollständig empfangen; der Zeitpunkt der Zuteilungsreife spielt nach den Vertragsbedingungen keine Rolle.
  • Entgegen der Auffassung der Bausparkasse ist die gesetzliche Kündigungsvorschrift auch nicht analog anwendbar: Die überlange Vertragsdauer beruht zwar auf der vertragswidrigen Einstellung der Sparleistungen durch die Bausparerin.
  • Die Bausparkasse muss dies aber nicht hinnehmen: Nach den Vertragsbedingungen kann sie die Bausparerin auffordern, die vertraglich geschuldeten Sparbeiträge wieder zu leisten. Wird der Aufforderung nicht Folge geleistet, hat die Bausparkasse ein (kurzfristiges) vertragliches Kündigungsrecht und es dadurch selbst in der Hand, eine überlange Bindung an den Vertragszinssatz zu verhindern.
  • Im Fall der ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung wäre die Bausparsumme innerhalb von zehn Jahren ab Zuteilungsreife vollständig angespart worden. Wenn die Bausparkasse selbst - möglicherweise im eigenen Interesse -ein faktisches Ruhen des Bausparvertrages erlaubt und ein vertragliches Kündigungsrecht nicht nutzt, ist sie nicht schutzbedürftig und kann sich nicht später auf eine analoge Anwendung eines gesetzlichen Kündigungsrechts berufen.
Quelle: OLG Stuttgart, Pressemitteilung v. 30.3.2016 Hinweis: Der Senat hat die Revision zum BGH zugelassen, weil die Frage der Anwendung des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf zuteilungsreife Bausparverträge grundsätzliche Bedeutung hat und andere Oberlandesgerichte eine gegenteilige Auffassung vertreten (z.B. OLG Hamm, Beschluss v. 30.12.2015 - 31 U 191/15; s. auch NWB-Nachricht v. 2.2.2016). Hauptbezug: OLG Stuttgart, Urteil v. 30.3.2016 - 9 U 171/15 Verwandte Artikel:
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