Das FG Niedersachsen hat zur Ermittlung beruflich veranlasster Übernachtungskosten eines auswärtstätigen Arbeitnehmers bei Mitnahme von Familienangehörigen entschieden (FG Niedersachsen, Urteil v. 30.10.2015 - 9 K 105/12; Revision zugelassen).Sachverhalt: Die Beteiligten streiten über die Höhe der Berücksichtigung von Reisekosten des Klägers bei den steuerfreien Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, die auf einer Entsendung des Klägers durch seinen Arbeitgeber in die Slowakische Republik beruhen und im Rahmen des Progressionsvorbehalts gemäß § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG zu berücksichtigen sind. Streitzeitzaum ist der VZ 2008. Hierzu führten die Richter weiter aus:
  • Die durch den Arbeitgeber erstatteten Aufwendungen fĂĽr das im Rahmen der Auswärtstätigkeit des Klägers angemietete Haus sind gem. § 3 Nr. 16 EStG teilweise steuerfrei und unterliegen insoweit nicht dem Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG.
  • In den Progressionsvorbehalt einzubeziehen sind jedoch die durch die Mitnahme der Familie entstandenen Mehraufwendungen. Hierbei handelt es sich um der Privatsphäre zuzurechnenden Aufwand.
  • Der durch die berufliche Tätigkeit des Klägers veranlasste Mietaufwand ist durch Schätzung zu ermitteln, indem die durch die Mitnahme der Familie privat verursachten Mehraufwendungen ausgeschieden werden.
  • Benutzt der Steuerpflichtige dabei eine Unterkunft zusammen mit einer oder mehreren Personen, die zu seinem Arbeitgeber in keinem Dienstverhältnis stehen, sind nur diejenigen Aufwendungen anzusetzen, die bei alleiniger Nutzung durch den Steuerpflichtigen angefallen wären.
  • Beispielhaft fĂĽr die Ermittlung der hierbei entstandenen beruflich veranlassten Aufwendungen verwendet die Verwaltung wie auch die Literatur unter Hinweis auf die GesetzesbegrĂĽndung (BT-Drucks. 17/10774, S. 14) den Vergleich der Ăśbernachtungskosten fĂĽr ein in Anspruch genommenes Mehrbett-/Doppelzimmer zu den (fiktiven) Aufwendungen fĂĽr ein Einzelzimmer im selben Hotel. Mangels geeigneten Vergleichsobjekts scheidet diese Schätzungsmethode zur Ermittlung des Erwerbsaufwands im Streitfall jedoch aus.
  • Auch eine Aufteilung nach Zeitanteilen ist nicht praktikabel, da im Streitfall die gemeinsame Nutzung des Hauses als auswärtiger Familienwohnsitz ĂĽber den gesamten Nutzungszeitraum erfolgt ist.
  • Eine Aufteilung nach Flächen erachtet der Senat im Streitfall ebenfalls als nicht sachgerecht, da sie im Fall der gemeinsamen Nutzung eines 234 qm groĂźen Mietobjekts dem Grundsatz einer objektiven und leicht nachprĂĽfbaren Methode widerspricht.
  • Die Aufteilung der Mietaufwendungen nach Köpfen bietet nach Ansicht des Senats ebenfalls keinen geeigneten MaĂźstab, um im Streitfall den privat veranlassten Mehraufwand zu ermitteln. Eine schlichte Aufteilung des Mietaufwands nach Köpfen hätte zur Folge, dass der berufliche Veranlassungsanteil mit der Größe der Familie, ĂĽberproportional abnehmen wĂĽrde.
  • Insofern hält der Senat die Ermittlung des durch die Mitnahme der Familie bedingten privat veranlassten Mehraufwands in Form einer modifizierten Aufteilung nach Köpfen fĂĽr gerechtfertigt.
  • Dabei geht der Senat unter BerĂĽcksichtigung der Umstände des Einzelfalls davon aus, dass infolge der Begleitung des Steuerpflichtigen durch seine Familie die Gesamtfläche der Familienunterkunft und damit auch die tatsächlichen Aufwendungen prozentual zur Größe der Familie ansteigen. Gleichwohl ist von einem Mindestaufwand auszugehen, der in Form eines Fixbetrags regelmäßig fĂĽr die Bewirtschaftung eines (individuellen) 1-Personenhaushalts anfällt und durch die Mitnahme der Familie nicht berĂĽhrt wird.
  • Um dieser Ăśberlegung Rechnung zu tragen, erachtet es der Senat fĂĽr geboten, die zunächst nach Köpfen ermittelten Kostenanteile zugunsten des beruflichen Veranlassungsanteils zu korrigieren und den privat veranlassten Aufwand durch einen (individuell) zu bestimmenden prozentualen Abschlag zu vermindern bzw. den beruflich veranlassten Aufwand entsprechend zu erhöhen.
  • Die Höhe des Abschlags nimmt der Senat im Streitfall mit 20 v.H. der tatsächlichen Unterbringungskosten an.
  • Im Streitfall konnten somit Mietaufwendungen in Höhe von rund 12.800 EUR als beruflich veranlasste Reisekosten durch den Arbeitgeber des Klägers gemäß § 3 Nr. 16 EStG steuerfrei erstattet werden. Der gemäß des DBA mit der Slowakischen Republik steuerfreie Arbeitslohn unterlag in dieser Höhe nicht dem Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG.
Quelle: FG Niedersachsen online Hinweis: Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen. Zwar betrifft der Fall altes Recht. Vorliegend hat die aufgeworfene Problematik jedoch Bedeutung für eine Vielzahl von Altfällen und ist in gleicher Weise für die Neufassung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5a EStG relevant. Hauptbezug: FG Niedersachsen, Urteil v. 30.10.2015 - 9 K 105/12, NWB DokID: YAAAF-67442
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