Der BGH hat sich mit der Frage befasst, in welchem Umfang Eltern eine Berufsausbildung ihrer Kinder finanzieren müssen (BGH, Beschluss vom 03.05.2017 - XII ZB 415/16).
Sachverhalt und Verfahrensgang: Das antragstellende Land nimmt den Antragsgegner, dessen Tochter es Vorausleistungen nach dem BAföG gewährt hat, auf Ausbildungsunterhalt aus übergegangenem Recht in Anspruch. Die im November 1984 geborene nichteheliche Tochter erwarb 2004 Abitur. Nachdem ihr kein Medizinstudienplatz zugewiesen wurde, begann sie im Februar 2005 eine Lehre als anästhesietechnische Assistentin, die sie im Januar 2008 erfolgreich abschloss. Ab Februar 2008 arbeitete sie in diesem erlernten Beruf. Für das Wintersemester 2010/2011 wurde ihr schließlich ein Studienplatz zugewiesen; seitdem studiert sie Medizin. Im September 2011 erhielt der Vater durch die Aufforderung des Studierendenwerks zur Auskunft über seine finanziellen Verhältnisse Kenntnis von der Studienaufnahme seiner Tochter. Per Brief hatte er ihr im Jahre 2004 nach dem Abitur mitgeteilt, er gehe vom Abschluss der Schulausbildung aus und davon, keinen weiteren Unterhalt mehr zahlen zu müssen. Sollte dies anders sein, möge sich seine Tochter bei ihm melden. Nachdem eine Reaktion hierauf unterblieb, stellte er die Unterhaltszahlungen für seine Tochter ein. Das AG hat den auf Zahlung der BAföG-Vorausleistung für Oktober 2011 bis September 2012 gerichteten Antrag abgewiesen, das OLG hat die Beschwerde des Landes zurückgewiesen. Hierzu führte der BGH weiter aus:
  • Gemäß § 1610 Abs. 2 BGB umfasst der Unterhalt eines Kindes die Kosten einer angemessenen Ausbildung zu einem Beruf. Geschuldet wird danach eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht und sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern hält.
  • Ein einheitlicher Ausbildungsgang in diesem Sinn kann auch gegeben sein, wenn ein Kind nach Erlangung des Abiturs eine praktische Ausbildung absolviert hat und sich erst danach zu einem Studium entschließt (sog. Abitur-Lehre-Studium-Fälle). Hierfür müssen die einzelnen Ausbildungsabschnitte jedoch in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen; die praktische Ausbildung und das Studium müssen sich jedenfalls sinnvoll ergänzen.
  • Die Unterhaltspflicht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Maßgeblich ist, ob den Eltern unter Berücksichtigung aller Umstände die Leistung von Ausbildungsunterhalt noch zumutbar ist. Dies wird nicht nur durch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern bestimmt, sondern auch davon, ob und inwieweit sie damit rechnen müssen, dass ihr Kind weitere Ausbildungsstufen anstrebt.
  • Auch wenn der Unterhaltsanspruch keine Abstimmung des Ausbildungsplans mit dem Unterhaltspflichtigen voraussetzt, kann es der Zumutbarkeit entgegenstehen, wenn der Unterhaltspflichtige von dem Ausbildungsplan erst zu einem Zeitpunkt erfährt, zu dem er nicht mehr damit rechnen muss, zu weiteren Ausbildungskosten herangezogen zu werden.
  • Nach diesen rechtlichen Maßgaben bestand im vorliegenden Fall kein Unterhaltsanspruch mehr. Die Inanspruchnahme des Vaters ist aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls hier unzumutbar, selbst wenn er während der Lehre seiner Tochter nicht für ihren Unterhalt aufkommen musste. Denn beim Alter der Tochter von fast 26 Jahren bei Studienbeginn musste der Vater typischerweise nicht mehr ohne weiteres mit der Aufnahme eines Studiums seiner Tochter rechnen.
  • Entsprechend hatte er im Vertrauen darauf, nicht mehr für den Unterhalt der Tochter aufkommen zu müssen, verschiedene längerfristige finanzielle Dispositionen getroffen. Dieses Vertrauen war im vorliegenden Fall auch schützenswert, weil ihn seine Tochter trotz seiner schriftlichen Nachfrage zu keinem Zeitpunkt über ihre Ausbildungspläne in Kenntnis gesetzt hatte.
Quelle: BGH, Pressemitteilung Nr. 62/2017 vom 03.05.2017 (Sc) Hauptbezug: BGH, Beschluss vom 03.05.2017 - XII ZB 415/16 Verwandte Artikel:
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