Der BFH hat zu den Anforderungen an die Gewährung des Vorsteuerabzugs aus Billigkeitsgründen Stellung genommen (BFH, Urteil v. 18.2.2016 - V R 62/14; veröffentlicht am 27.4.2016).
Hintergrund: Im Billigkeitsverfahren (§§ 163, 227 AO) kann der Vorsteuerabzug ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Rechtsgrundsatzes des Vertrauensschutzes nach den Grundsätzen der EuGH-Rechtsprechung (Urteile Teleos v. 27.9.2007 - C 409/04, EU:C:2007:548, und Netto Supermarkt v. 21.2.2008 - C 271/06, EU:C:2008:105) in Betracht kommen. Das setzt voraus, dass der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer gutgläubig war und alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sich von der Richtigkeit der Angaben in der Rechnung zu überzeugen und seine Beteiligung an einem Betrug ausgeschlossen ist (BFH, Urteil v. 30.4.2009 - V R 15/07). Sachverhalt: Die Klägerin erzielt steuerpflichtige Umsätze aus der Lagerung, Kommissionierung und Verteilung von Gütern aller Art. Gesellschafter der Klägerin sind A und P.K. Mit ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr (2006) machte die Klägerin u.a. abziehbare Vorsteuerbeträge aus zwei Rechnungen einer tschechischen Firma über die Lieferung von Nickel-Kathoden geltend. Auf den Rechnungen ist eine Steuernummer mit einer vierstelligen Ziffernfolge im dritten Ziffernblock angegeben. Die Rechnungen enthalten den Hinweis, dass die Verladung im Lager N (Inland) bei der Fa. M nur in Absprache mit dem Mitarbeiter J erfolgen dürfe. Die Finanzverwaltung hatte nachträglich festgestellt, dass die die Rechnung ausstellende Firma keinerlei Geschäftstätigkeit entfaltet hat. Die Klägerin machte den ihr aus Rechtsgründen nicht zustehenden Vorsteuerabzug in einem Billigkeitsverfahren geltend, in dem sie vortrug, die Warenlieferung sei erfolgt, und für sie sei der Betrug nicht erkennbar gewesen. Streitig ist, ob der Beklagte (das Finanzamt – FA –) zu Recht eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen abgelehnt hat. Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:
  • Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass der Vorsteuerabzug im Billigkeitsverfahren zu gewähren ist, wenn die Steuerbehörden nicht das Vorliegen objektiver Umstände nachweisen, die den Schluss zulassen, dass das Recht auf Vorsteuerabzug in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird, denn diese Voraussetzung betrifft nicht das Billigkeitsverfahren.
  • Die Aufhebung der Entscheidung des FA im Billigkeitsverfahren ist aber im Ergebnis richtig, weil dem FA Ermessensfehler unterlaufen sind.
  • Das FA hat sich (u.a.) darauf gestützt, dass in den inkriminierten Rechnungen eine deutsche Steuernummer mit weniger als fünf Ziffern im dritten Ziffernblock angegeben wurde, die in Deutschland nicht üblich sei, was aber (z.B. in NRW) nicht zutrifft.
  • Der Ermessensentscheidung des FA lässt sich nicht entnehmen, ob die fehlerhaften Erwägungen für die Entscheidung des FA maßgebend gewesen.
  • Diese Entscheidung kann der Senat nicht an Stelle des FG treffen, denn das Gericht hat im Falle der Aufdeckung von Ermessensfehlern die Ermessensentscheidung und darf grundsätzlich nicht sein Ermessen an die Stelle des Ermessens der Verwaltungsbehörde setzen.
Quelle: NWB Datenbank (Lu) Hauptbezug: BFH, Urteil v. 18.2.2016 - V R 62/14, NWB DokID: JAAAF-72300Verwandte Artikel:
  • Scholz, Vorsteuerabzug, Grundlagen, NWB DokID: VAAAE-51939
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