Der BGH hat sich in zwei aktuellen Entscheidungen mit der Herausgabepflicht des Rechtsanwalts von Handakten befasst. Er hat diese Herausgabepflicht zur Berufspflicht deklariert (BGH, Urteil v. 3.11.2014 - AnwSt (R) 5/14 und Urteil v. 3.11.2014 - AnwZ (Brfg) 72/13).Hintergrund: Nach § 50 Abs. 3 BRAO kann der Rechtsanwalt seinem Auftraggeber die Herausgabe der Handakten verweigern, bis er wegen seiner Gebühren und Auslagen befriedigt worden ist. Dies gilt nicht, soweit die Vorenthaltung der Handakten oder einzelner Schriftstücke nach den Umständen unangemessen wäre. Der Rechtsanwalt hat seinen Beruf gewissenhaft auszuüben. Er hat sich innerhalb und außerhalb des Berufes der Achtung und des Vertrauens, welche die Stellung des Rechtsanwalts erfordert, würdig zu erweisen (§ 43 BRAO). In der Literatur ist umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen § 43 BRAO anwendbar ist, wenn spezielle berufsrechtliche Normen fehlen.

Hierzu führt der BGH weiter aus:
  • Es besteht eine Berufspflicht zur Herausgabe der Handakten. Diese ist zwar nicht ausdrücklich in § 50 BRAO geregelt, ist aber aus der Generalklausel des § 43 BRAO in Verbindung mit §§ 675, 667 BGB und inzidenter auch der Vorschrift des § 50 BRAO zu entnehmen.
  • Der Senat lässt dahingestellt, ob sich eine berufsrechtliche Herausgabepflicht unmittelbar aus § 43 BRAO ergibt; sie ist jedenfalls § 43 BRAO in Verbindung mit §§ 675, 667 BGB zu entnehmen.
  • Zivilrechtliche Pflichten, die den Rechtsanwalt im Rahmen seiner Berufsausübung treffen, können in Verbindung mit § 43 BRAO eine Berufspflicht sein, wenn es sich um grobe Verstöße handelt, welche die äußere Seite der Anwaltstätigkeit betreffen, und mit gewissenhafter Berufsausübung und mit der Stellung des Rechtsanwalts nicht mehr vereinbar sind. Das ist bei der Verweigerung der Herausgabe der Handakten ohne rechtfertigenden Grund der Fall.
  • Dass es eine Berufspflichtverletzung darstellt, die Herausgabe der Handakten ungerechtfertigt zu verweigern, ergibt sich auch aus § 50 BRAO.
  • § 50 Abs. 3 BRAO gewährt dem Rechtsanwalt in bestimmten Fällen ein Zurückbehaltungsrecht. Die Regelung eines Zurückbehaltungsrechts in der Bundesrechtsanwaltsordnung macht überhaupt nur dann Sinn, wenn man gleichzeitig für den Normalfall von einer berufsrechtlichen Herausgabepflicht ausgeht.
Anmerkung: Nicht eingegangen ist der BGH in den oben genannten Entscheidungen darauf, ob die Handakten im konkreten Fall „benötigt“ wurden. Dies hat der BGH einfach unterstellt (s. hierzu Berners in NWB 18/2015 S. 1334).

Hinweis:
Im Steuerberatungsgesetz ist die Pflicht zur Herausgabe von Handakten nicht ausdrücklich normiert. Sie ergibt sich aber aus den zivilrechtlichen Vorschriften des Auftragsrechts. Die Verletzung der Herausgabepflicht wird bei Steuerberatern als Berufspflichtverletzung gem. § 66 StBerG angesehen (zum Zurückbehaltungsrecht des Steuerberaters s. Berners in NWB 13/2014 S. 934).

Hauptbezug: BGH, Urteil v. 3.11.2014 - AnwSt (R) 5/14 und Urteil v. 3.11.2014 - AnwZ (Brfg) 72/13, NWB DokID: KAAAE-83923 sowie BAAAE-80543

Verwandte Artikel:
  • Ditges, Herausgabe- und Auskunftsbegehren des Steuerberaters an Vorberater keine unerlaubte Rechtsdienstleistung, NWB 40/2014 S. 3040, NWB DokID: GAAAE-73581
  • Berners, Das Zurückbehaltungsrecht des Steuerberaters, NWB 13/2014 S. 934, NWB DokID: TAAAE-59834
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