Das BMF hat im Lichte der Rechtsprechung des EuGH und BFH zur umsatzsteuerlichen Organschaft den UStAE geändert (BMF, Schreiben vom 26.05.2017 - III C 2 - S 7105/15/10002).Hintergrund: Die Entscheidungen des BFH und des EuGH zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft sowie zum Umfang des Vorsteuerabzugs beim Erwerb sowie im Zusammenhang mit dem Halten von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen machen eine Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses notwendig. Der UStAE wird daher u.a. wie folgt geändert:
  • Abschnitt 2.8 Absatz 2 Satz 5 und 9 werden wie folgt geändert:
    "5. Eine Personengesellschaft kann ausnahmsweise wie eine juristische Person als eingegliedert im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG anzusehen sein, wenn die finanzielle Eingliederung wie bei einer juristischen Person zu bejahen ist (siehe dazu Absatz 5a).[...]
    9. Personen, die keine Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG sind, können weder Organträger noch Organgesellschaft sein."
  • Abschnitt 2.8 Absatz 5 Satz 3 und 4 zur finanziellen Eingliederung werden wie folgt gefasst:
    "3. Im Interesse der Rechtsklarheit sind Stimmbindungsvereinbarungen oder Stimmrechtsvollmachten grundsätzlich ohne Bedeutung.
    4. Stimmbindungsvereinbarungen und Stimmrechtsvollmachten können bei der Prüfung der finanziellen Eingliederung nur zu berücksichtigen sein, wenn sie sich ausschließlich aus Regelungen der Satzung wie etwa bei einer Einräumung von Mehrfachstimmrechten ("Geschäftsanteil mit Mehrstimmrecht") ergeben."
  • In Abschnitt 2.8 werden folgende neue Absätze 5a und 5b eingefĂĽgt:
    "(5a) Die finanzielle Eingliederung einer Personengesellschaft setzt voraus, dass Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind, so dass die erforderliche Durchgriffsmöglichkeit selbst bei der stets möglichen Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips gewährleistet ist. Für die nach Satz 1 notwendige Beteiligung des Organträgers sind mittelbare Beteiligungen ausreichend. Absatz 5b gilt entsprechend.

    Beispiel 1:
    Gesellschafter einer GmbH & Co. KG sind die Komplementär-GmbH und eine weitere GmbH als Kommanditistin. Die A-AG hält an beiden GmbHs jeweils einen Anteil von mehr als 50 %.

    Alle Gesellschafter der GmbH & Co. KG sind finanziell in das Unternehmen der A-AG eingegliedert. Damit ist auch die GmbH & Co. KG in das Unternehmen der A-AG finanziell eingegliedert.

    Beispiel 2: Gesellschafter einer GmbH & Co. KG sind die Komplementär-GmbH K1 sowie die GmbH K2 und eine weitere Person P (Beteiligungsquote 0,1 %) als Kommanditisten. Die A-AG hält an K1 und K2 jeweils einen Anteil von mehr als 50 %. An P ist die A-AG nicht beteiligt.

    Da nicht alle Gesellschafter der GmbH & Co. KG finanziell in das Unternehmen der A-AG eingegliedert sind, ist auch die GmbH & Co. KG nicht finanziell in das Unternehmen der A-AG eingegliedert.

    (5b) Eine finanzielle Eingliederung setzt eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung des Organträgers an der Organgesellschaft voraus. Es ist ausreichend, wenn die finanzielle Eingliederung mittelbar über eine unternehmerisch oder nichtunternehmerisch tätige Tochtergesellschaft des Organträgers erfolgt. Eine nichtunternehmerisch tätige Tochtergesellschaft wird dadurch jedoch nicht Bestandteil des Organkreises. Ist eine Kapital- oder Personengesellschaft nicht selbst an der Organgesellschaft beteiligt, reicht es für die finanzielle Eingliederung nicht aus, dass nur ein oder mehrere Gesellschafter auch mit Stimmenmehrheit an der Organgesellschaft beteiligt sind (vgl. BFH, Urteil vom 22.04.2010 - V R 9/09, BStBl 2011 II S. 597, BFH, Urteil vom 01.12.2010 - XI R 43/08, BStBl 2011 II S. 600, und BFH, Urteil vom 24.08.2016 - V R 36/15, BStBl 2017 II S. xxx). In diesem Fall ist keine der beiden Gesellschaften in das Gefüge des anderen Unternehmens eingeordnet, sondern es handelt sich vielmehr um gleich geordnete Schwestergesellschaften. Dies gilt auch dann, wenn die Beteiligung eines Gesellschafters an einer Kapitalgesellschaft ertragsteuerlich zu dessen Sonderbetriebsvermögen bei einer Personengesellschaft gehört. Das Fehlen einer eigenen unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung der Gesellschaft kann nicht durch einen Beherrschungsvertrag und Gewinnabführungsvertrag ersetzt werden (BFH, Urteil vom 01.12.2010 - XI R 43/08, a.a.O.)."
  • Abschnitt 2.8 Absatz 7 Satz 3 zur organisatorischen Eingliederung wird wie folgt gefasst:
    "Nicht ausreichend ist, dass eine vom Organträger abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft ausgeschlossen ist."
  • Abschnitt 2.8 Absatz 12 (Insolvenzverfahren) wird wie folgt gefasst:
    "Mit der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Organträgers oder der Organgesellschaft endet die Organschaft. Dies gilt jeweils auch bei Bestellung eines Sachwalters im Rahmen der Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO. Wird im Rahmen der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen über das Vermögen des Organträgers oder der Organgesellschaft ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, endet die Organschaft mit dessen Bestellung bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter den maßgeblichen Einfluss auf den Schuldner erhält und eine Beherrschung der Organgesellschaft durch den Organträger nicht mehr möglich ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter wirksame rechtsgeschäftliche Verfügungen des Schuldners aufgrund eines Zustimmungsvorbehalts nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO verhindern kann. Die Sätze 1 bis 4 gelten auch in den Fällen, in denen für den Organträger und die Organgesellschaft ein personenidentischer Sachwalter, vorläufiger Insolvenzverwalter oder Insolvenzverwalter bestellt wird."
  • In Abschnitt 15.22 Abs. 1 wird folgender neuer Satz 4 angefĂĽgt:
    "Ein Recht auf Vorsteuerabzug aus Leistungen im Zusammenhang mit dem Einwerben von Kapital zur Anschaffung einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung besteht für den Unternehmer (insbesondere für eine Holding) jedoch nicht, soweit das eingeworbene Kapital in keinem Verhältnis zu der im unternehmerischen Bereich gehaltenen gesellschaftsrechtlichen Beteiligung steht, oder wenn die Umsätze, die dieses Recht begründen sollen, eine missbräuchliche Praxis darstellen. (vgl. BFH, Urteil vom 06.04.2016 - V R 6/14, BStBl 2017 II S. xxx, und BFH, Urteil vom 01.06. 2016 - XI R 17/11, BStBl 2017 II S. xxx)."
Hinweise: Die Änderungen in Abschnitt 2.3 Abs. 3 und 4, Abschnitt 2.8 Abs. 10 und 12, Abschnitt 15.18 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 sowie Abschnitt 15.22 Abs. 1 UStAE sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Die übrigen Änderungen sind auf nach dem 31.12.2018 ausgeführte Umsätze anzuwenden. Eine frühere Anwendung wird nicht beanstandet, wenn sich die am Organkreis Beteiligten bei der Beurteilung des Umfangs der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft übereinstimmend auf die entsprechenden Regelungen dieses Schreibens berufen. Eine lediglich umsatzbezogene Berufung ist nicht möglich. Ein Berufungsrecht besteht nur, soweit sämtliche betroffenen Steuerfestsetzungen der Beteiligten noch änderbar sind. Der Volltext des Schreibens ist auf der Homepage des BMF verfügbar. Quelle: BMF online (Sc)Hauptbezug: BMF, Schreiben vom 26.05.2017 - III C 2 - S 7105/15/10002, NWB DokID: HAAAG-46849Verwandte Artikel:
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  • Pagel/Tetzlaff, Organschaft, Grundlagen, NWB DokID: EAAAE-28096
  • Weber, Umsatzsteuerliche Organschaft – Umsetzung der aktuellen Rechtsprechung des EuGH und des BFH, USt direkt digital 3/2017 S. 12, NWB DokID: RAAAG-36728
  • Seifert, Keine Organschaft zwischen Schwestergesellschaften, StuB 1/2017 S. 30, NWB DokID: XAAAF-89853
  • Fries, Umsatzsteuerliche Organschaft: Die Finanzverwaltung auf den Spuren des V. Senats, USt direkt digital 15/2016 S. 6, NWB DokID: SAAAF-79280
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