Der Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung der Lieferung eines Grundstücks (außerhalb eines Zwangsversteigerungsverfahrens) kann nur in dem dieser Grundstückslieferung zugrunde liegenden notariell zu beurkundenden Vertrag erklärt werden. Ein späterer Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung ist unwirksam, auch wenn er notariell beurkundet wird (BFH, Urteil v. 21.10.2015 - XI R 40/13; veröffentlicht am 23.12.2015).Hintergrund: Umsätze, die – wie die Lieferung eines Grundstücks – unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen, sind nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG von der Umsatzsteuer befreit. Der leistende Unternehmer kann einen derartigen Umsatz als steuerpflichtig behandeln, wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird (§ 9 Abs. 1 UStG). Der Verzicht auf diese Steuerbefreiung ist bei Lieferungen von Grundstücken im Zwangsversteigerungsverfahren durch den Vollstreckungsschuldner an den Ersteher bis zur Aufforderung zur Abgabe von Geboten im Versteigerungstermin zulässig (§ 9 Abs. 3 Satz 1 UStG). Bei anderen Umsätzen i. S. von § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG kann der Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 UStG nur in dem gemäß § 311b Abs. 1 BGB notariell zu beurkundenden Vertrag erklärt werden (§ 9 Abs. 3 Satz 2 UStG). Sachverhalt: Der Kläger erwarb im Jahr 2003 von der "A GmbH" das Grundstück Z in X (Grundstück) und verpachtete es umsatzsteuerpflichtig an seine Organgesellschaft, die "B GmbH" (GmbH). Mit notariellem Kaufvertrag vom 22.10.2009 veräußerte er das Grundstück an seine Ehefrau F, die es – was deren Eigenschaft als Unternehmerin i. S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG begründet – ihrerseits umsatzsteuerpflichtig an die GmbH vermietete. Eine Option zur Steuerpflicht dieses Umsatzes wurde im notariellen Kaufvertrag vom 22.10.2009 nicht ausgeübt. Das Finanzamt berichtigte den Vorsteuerabzug zu Lasten des Klägers nach § 15a UStG. Während des Klageverfahrens erfolgte am 12.4.2013 eine notariell beurkundete Neufassung von § 3 Ziffer I des Kaufvertrags vom 22.10.2009, die eine Umsatzsteueroption vorsieht. Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob diese nachträgliche Option in der notariell beurkundeten Neufassung des Vertrags i. S. von § 311b Abs. 1 BGB die Voraussetzungen des § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG erfüllt. Hierzu führten die Richter des BFH aus:
  • Die Vorschrift ermöglicht nach ihrem Wortlaut den Verzicht "nur" in dem der GrundstĂĽckslieferung zugrunde liegenden notariell zu beurkundenden Vertrag, nämlich "in dem" Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem GrundstĂĽck zu ĂĽbertragen oder zu erwerben (vgl. § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB). Das ist der Verpflichtungsvertrag, der der Auflassung und der Eintragung in das Grundbuch vorhergeht (vgl. § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB). Danach schlieĂźt der Gesetzeswortlaut eine Option zur Steuerpflicht in einer nachfolgenden Neufassung dieses Vertrages selbst dann aus, wenn diese gleichfalls notariell beurkundet wurde. Nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG wird keine bloĂźe notarielle Beurkundungspflicht im Sinne einer Formvorschrift normiert.
  • Auch aus dem systematischen Zusammenhang des § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG mit dem unmittelbar vorangehenden § 9 Abs. 3 Satz 1 UStG, nach dem bei Lieferungen von GrundstĂĽcken im Zwangsversteigerungsverfahren der Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 UStG nur "bis zur Aufforderung zur Abgabe von Geboten im Versteigerungstermin zulässig" ist, sowie dessen Stellung im Gesetz ergibt sich, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit der Option zur Steuerpflicht in den Fällen des § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG in zeitlicher Hinsicht beschränken wollte.
  • Dem entspricht auch die GesetzesbegrĂĽndung zu § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG. Der Zeitpunkt, zu dem der notarielle Kaufvertrag abgeschlossen wird, soll "letztmöglicher Zeitpunkt fĂĽr die Erklärung des Verzichts auf die Steuerbefreiung" des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG sein (vgl. BR-Drucks. 583/10, S. 12).
  • Könnte der leistende Unternehmer in späteren Neufassungen, Ă„nderungen oder Ergänzungen des gemäß § 311b Abs. 1 BGB notariell zu beurkundenden Vertrags noch auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG verzichten, hätte dies bei einem nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigten Leistungsempfänger zur Folge, dass die nach § 13b Abs. 2 Nr. 3 UStG nachträglich geschuldete Steuer, die in diesen Fällen nicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 (Satz 1) UStG als Vorsteuer abziehbar wäre, dann nicht festgesetzt werden kann und dies mithin zu Steuerausfällen fĂĽhrt, wenn dessen nicht mehr änderbar ist.
  • Das Unionsrecht steht dem Erfordernis, den Verzicht auf die Steuerbefreiung den Anforderungen i.S. von § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG entsprechend zu erklären, nicht entgegen.
Anmerkung: Insbesondere lag im vorliegenden Streitfall auch keine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor, die gemäß § 15a Abs. 10 UStG eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs ausschließen würde. Denn aufgrund der vorliegenden Organschaft (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) betrieb der Kläger kein Verpachtungsunternehmen. Quelle: NWB Datenbank Hauptbezug: BFH, Urteil v. 21.10.2015 - XI R 40/13; NWB DokID: JAAAF-18905Verwandte Artikel:
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