Einer geschäftsleitenden Holding, die an der Verwaltung einer Tochtergesellschaft teilnimmt und insoweit eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, steht für Vorsteuerbeträge, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an dieser Tochtergesellschaft stehen, grundsätzlich der volle Vorsteuerabzug zu. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG kann in einer mit Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu vereinbarenden Weise richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden, dass der Begriff "juristische Person" auch eine GmbH & Co. KG umfasst (BFH, Urteil v. 01.06.2016 - XI R 17/11; veröffentlicht am 20.07.2016).
Sachverhalt: Streitig sind der Vorsteuerabzug einer Führungsholding und die Frage, ob eine GmbH & Co. KG Organgesellschaft i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG sein kann. Hierzu führt der XI. Senat des BFH u.a. weiter aus:
  • Nach den vom EuGH in dem Urteil Larentia + Minerva aufgestellten Grundsätzen steht der Klägerin der begehrte Vorsteuerabzug zu.
  • Darüber hinaus kommt in Betracht, dass zwischen der Klägerin und ihren Tochtergesellschaften eine Organschaft besteht, was Auswirkungen auf die Höhe der gegen die Klägerin festzusetzenden Umsatzsteuer haben könnte.
  • Denn auch eine GmbH & Co. KG - wie dies auf die Tochtergesellschaften der Klägerin zutrifft - kann Organgesellschaft i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG sein: Die dem Senat vom EuGH in Leitsatz 2 und Rz 43 seines Urteils Larentia + Minerva aufgegebene Prüfung führt zu dem Ergebnis, dass der in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG normierte generelle Ausschluss von Einheiten, die keine juristischen Personen sind, keine erforderliche und geeignete Maßnahme zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung ist.
  • Auch ergeben sich aus der Gesetzesbegründung zu § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG keine Hinweise darauf, dass mit der Beschränkung der Organgesellschaften auf "juristische Personen" missbräuchliche Praktiken oder Verhaltensweisen und Steuerhinterziehung oder -umgehung verhindert werden sollten.
  • § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG ist richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass der Begriff "juristische Person" i.S. dieser Vorschrift zumindest auch eine GmbH & Co. KG umfasst: Denn eine Personengesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG hat eine "kapitalistische Struktur" (s. auch FG München, Urteil v. 13.03.2013 - 3 K 235/10, Rz 44; Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 840). In der Rechtsprechung wird die GmbH & Co. KG der Form nach als Personengesellschaft gesehen. Der Sache nach wird sie jedoch eher als GmbH gewertet (Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Henze/Notz, Handelsgesetzbuch, 3. Aufl., § 177a Anhang A Rz 3 f.).
  • Darüber hinaus sind steuerrechtlich die ehemals erheblichen Unterschiede zwischen einer GmbH und einer GmbH & Co. KG in vielerlei Hinsicht mittlerweile durch den Gesetzgeber eingeebnet worden (Blaum in Westermann, Handbuch der Personengesellschaften, Rz I 3175).
  • Die GmbH & Co. KG unterliegt außerdem aufgrund der §§ 264a ff. HGB weitgehend denselben Regeln der Rechnungspublizität und Prüfungspflicht wie eine Kapitalgesellschaft (Blaum in Westermann, a.a.O., Rz I 3176). Sie kann wie eine juristische Person unselbständig dem Willen eines anderen Rechtsträgers (nämlich des Organträgers) unterworfen sein, da bei ihr lediglich eine GmbH und damit eine juristische Person als Komplementärin gemäß § 164 HGB die Geschäfte führt (so zutreffend Urteil des FG München v. 13.03.2013 - 3 K 235/10, Rz 44).
Quelle:NWB Datenbank (il) Hinweis: Die Entscheidung deutet auf Divergenzen zur Rechtsprechung des V. Senats hin. Zum Vorsteuerabzug für geschäftsführende Holdingunternehmen hat sich der V. Senat in der Entscheidung v. 06.04.2016 – V R 6/14 – in einem nicht ganz vergleichbaren Fall – restriktiver geäußert. Der XI. Senat setzt sich damit in der Urteilsbegründung nicht auseinander. Zur Anerkennung von Personengesellschaften als Organgesellschaften deutet der XI. Senat denkbare Meinungsunterschiede an, hält sie im Streitfall jedoch nicht für entscheidungsrelevant und verzichtet deshalb auf die Anrufung des Großen Senats. Hauptbezug: BFH, Urteil v. 01.06.2016 - XI R 17/11 Verwandte Artikel:
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