Der Gesellschafter einer noch zu gründenden GmbH kann im Hinblick auf eine beabsichtigte Unternehmenstätigkeit der GmbH nur dann zum Vorsteuerabzug berechtigt sein, wenn der Leistungsbezug durch den Gesellschafter bei der GmbH zu einem Investitionsumsatz führen soll (BFH, Urteil v. 11.11.2015 - V R 8/15; veröffentlicht am 16.3.2016).
Hintergrund: Durch die Rechtsprechung ist geklärt, dass eine Vorgründungsgesellschaft, die allein mit dem Ziel der Gründung einer Kapitalgesellschaft errichtet wurde, als vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmerin angesehen werden kann, wenn diese Eingangsleistungen für die später gegründete Kapitalgesellschaft bezieht und andere Ausgangsumsätze von vornherein nicht beabsichtigt hatte (EuGH, Urteil v. 29.4.2004 - Rs. C-137/02, „Faxworld“ und BFH, Urteil v. 15.7.2004 - V R 84/99). Sachverhalt: Im Streitfall ging es um einen Arbeitnehmer (Kläger), der über eine von ihm zu gründende GmbH eine unternehmerische Tätigkeit aufnehmen wollte. Die GmbH sollte die Betriebsmittel einer anderen Firma im Rahmen eines Unternehmenskaufs erwerben. Der Kläger wurde hierfür durch eine Unternehmensberatung für Existenzgründer und einen Rechtsanwalt beraten. GmbH-Gründung und Unternehmenskauf unterblieben. Der Kläger ging gleichwohl davon aus, dass er zum Vorsteuerabzug nach § 15 des Umsatzsteuergesetzes berechtigt sei. Dem folgte der BFH in letzter Instanz nicht. Hierzu führten die Richter weiter aus:
  • Maßgeblich für den Anspruch auf Vorsteuerabzug ist die rechtliche Eigenständigkeit der GmbH.
  • So wäre der Kläger zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen, wenn er beabsichtigt hätte, das Unternehmen selbst zu kaufen, um es als Einzelunternehmer zu betreiben. Dies gilt auch für den Fall einer erfolglosen Unternehmensgründung.
  • Auch ist der Kläger nicht als Gesellschafter einer zu gründenden GmbH zum Vorsteuerabzug berechtigt. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist der Gesellschafter nur dann Unternehmer (Steuerpflichtiger), wenn er entgeltliche Leistungen im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit erbringt (vgl. hierzu EuGH, Urteil v. 16.7.2015 - C-108/14 Larentia + Minerva, und C-109/14 Marenave Schiffahrt, Rz 19 ff.); der bloße Erwerb und das bloße Halten von Gesellschaftsanteilen sind keine wirtschaftlichen Tätigkeiten, die den Gesellschafter zum Steuerpflichtigen (Unternehmer) machen.
  • Anders ist es nur, wenn die Beteiligung mit unmittelbaren oder mittelbaren Eingriffen in die Verwaltung der Gesellschaft einhergeht und es sich hierbei um eine wirtschaftliche Tätigkeit gegen Entgelt handelt. Eine solche war durch den Kläger nicht geplant, da er nicht beabsichtigte, gegenüber der zu gründenden GmbH entgeltliche Leistungen zu erbringen.
  • Darüber hinaus ist der Kläger auch nicht aufgrund eines Übertragungsvorgangs auf eine zu gründende Gesellschaft zum Vorsteuerabzug berechtigt.
  • Zwar kann auch ein Gesellschafter den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen, wenn er Vermögensgegenstände erwirbt, um diese auf die GmbH zu übertragen (Investitionsumsatz).
  • Ein Vorsteuerabzug kommt z.B. dann in Betracht, wenn er ein Grundstück erwirbt und dann in die GmbH einlegt.
  • Demgegenüber waren die im Streitfall vom Kläger bezogenen Beratungsleistungen - anders als die Vermögensgegenstände in den EuGH-Urteilen Faxworld (EU:C:2004:267) und Polski Trawertyn (EU:C:2012:107) zugrunde liegenden Rechtssachen - nicht übertragungsfähig. Daher war die Entscheidung der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Hinweis: Ein „Investitionsumsatz“, der die anderweitig nichtunternehmerisch tätigen künftigen Gesellschafter einer in Gründung befindlichen GmbH zum Verlustabzug berechtigt, liegt vor, wenn die Gesellschafter Gegenstände anschaffen oder herstellen, die sie entgeltlich auf die GmbH übertragen wollen, deren Gründung beabsichtigt ist. Im Streitfall handelte es sich um Beratungsleistungen für die unternehmerische Tätigkeit der zu gründenden Einmann-GmbH. Der BFH versteht die Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen Polski Trawertyn und Malburg so, dass der Gesellschafter daraus keinen Vorsteuerabzug geltend machen kann. Das ist im Ergebnis unbefriedigend. Nicht entscheidend ist allerdings, wie der BFH hervorgehoben hat, ob die beabsichtigte GmbH-Gründung gelingt oder scheitert oder es sich um eine Einmann-Gesellschaft handelt. Es fragt sich, wie in der Praxis der Verlust des Vorsteuerabzugs verhindert werden kann, wenn eine GmbH gegründet wird, für deren spätere unternehmerische Tätigkeit Leistungsbezüge anfallen. Ist schon der notariell beurkundete Gesellschaftsvertrag abgeschlossen und handelt die Gründungsgesellschaft bereits vor ihrer Eintragung ins Handelsregister, steht ihr der Vorsteuerabzug zu. In anderen Fällen von größerer Bedeutung dürfte – was unbefriedigend ist – auf Gesellschafterebene der Vorsteuerabzug nur erreichbar sein, wenn die Gesellschafter sich bereits unternehmerisch betätigen und ihr „Unternehmen“ alsdann auf die später gegründete GmbH übertragen. Quelle: NWB Datenbank sowie BFH, Pressemitteilung v. 16.3.2016 Hauptbezug: BFH, Urteil v. 11.11.2015 - V R 8/15, NWB DokID: DAAAF-69017
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