Blog

Im Namen des Volkes – Was ist komplizierter als unsere Gesetzgebung: die Ehe

Was ist komplizierter als unsere Gesetzgebung: die Ehe

Schräge Geschichten aus Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung

In seiner Kolumne „Im Namen des Volkes“ teilt Ralf Sikorski mit unseren Leserinnen und Lesern Auszüge aus der Neuauflage seines gleichnamigen Buches

Ich heiße Ralf Sikorski und Sie herzlich willkommen.

Die Ehe ist etwas wunderbares, verbinden sich doch in ihr zwei Menschen, die fortan gemeinsam ihre Probleme lösen – insbesondere Probleme, die sie ohne die Ehe gar nicht gehabt hätten. Und so haben sich schon unsere Vorfahren reichlich Gedanken gemacht über die größte Herausforderung, die das Leben für uns Menschen, wenn wir erwachsen werden, bereithält. Oscar Wilde (1854–1900, irischer Schriftsteller) hat zu seinen Zeiten den Vorschlag gemacht, dass „Junggesellen besonders hohe Steuern zahlen sollten. Es sei nicht gerecht, dass einige Männer glücklicher sein sollen als andere.“

Und natürlich hat sich auch der Gesetzgeber im Laufe der Jahrhunderte immer wieder mit der Ehe beschäftigt bzw. beschäftigen müssen. Statt vieler Regelungen zur Ehe sei an dieser Stelle § 1314 BGB erwähnt, eine Regelung, die einen Ausweg für Menschen bereithält, die nicht ahnen konnten, was denn eine Ehe so eigentlich bedeutet. Und das gilt ja wohl für die meisten Betroffenen.

§ 1314 BGB – Aufhebungsgründe
„Eine Ehe kann aufgehoben werden, wenn ein Ehegatte bei der Eheschließung nicht gewusst hat, dass es sich um eine Eheschließung handelt.“

Alkohol macht gleichgültig. Mir doch egal.
Und folgerichtig müssen sich unsere Gerichte damit befassen, ab wann man nicht mehr wusste, was eine Eheschließung bedeutet. Da tauchte dann auch ganz schnell die Frage auf, wieviel Promille vor dem Standesamt noch im zulässigen Bereich liegen, hat sich doch schon so mancher Bräutigam vorher ein wenig Mut angetrunken. In Bremen baute im Jahr 2010 der angehende Ehemann auf der morgendlichen Fahrt zum Standesamt einen Unfall. Der Polterabend am Abend zuvor scheint also zur Zufriedenheit aller Beteiligten gelaufen zu sein, denn die zugezogene Polizei stellte einen Restalkohol von 1,5 Promille fest. Die Beamten trafen eine salomonische Entscheidung: sie nahmen dem Bräutigam zwar den Führerschein ab, fuhren ihn aber zum Standesamt, wo die Trauung mit seiner schon auf ihn wartenden Braut dann vollzogen wurde. Aber war sie auch gültig? Das Fahren eines Fahrzeugs ist nach dem Gesetz mit 1,5 Promille nicht zulässig, aber das Ja-Wort zur Eheschließung ist gleichwohl unter Alkoholeinfluss möglich?

Unbedingt erwähnen muss man im Zusammenhang mit der Eheschließung noch eine aus heutiger Sicht schier unglaubliche Rechtsvorschrift, die leider inzwischen abgeschafft wurde:

§ 1300 BGB
„Hat eine unbescholtene Verlobte ihrem Verlobten die Beiwohnung gestattet, so kann sie auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld verlangen.“

Die Regelung über das sog. „Kranzgeld“ wurde durch das Gesetz zur Neuordnung des Eheschließungsrechts im Jahre 1998 aufgehoben. Zur Begründung im Hinblick auf die Aufhebung dieser Vorschrift 98 Jahre nach der Einführung derselben führt der Gesetzgeber aus, die Regelung sei „rechtspolitisch überholt“ und daher zu streichen. Er führt aber weiter dazu aus: „Soweit im Einzelfall ein Bedürfnis für den Ersatz verminderter Heiratsaussichten oder einem anderen immateriellen Schaden besteht, können Ersatzansprüche nach § 825 BGB geltend gemacht werden.“ Eine mehr als erstaunliche Formulierung, selbst für das Jahr 1998. Der wirkliche Grund für die Aufhebung der Regelung dürfte wohl sein, dass es im 21. Jahrhundert schlicht keine „unbescholtene Verlobte“ bei der Eheschließung mehr gibt.

Du sollst nicht ehebrechen
Wäre Julius Schwarzbart etwas bibelfester gewesen, wäre ihm möglicherweise eine Menge Ärger erspart geblieben. Der Ehemann seiner hübschen Freundin Birgit Baumann kam leider während eines 24-Stunden-Dienstes zu früh nach Haus, womit die beiden nun um 3:00 Uhr morgens wirklich nicht rechnen konnten. Und da die beiden Liebenden, die sich im Schlafzimmer des Hauses der Eheleute Baumann vergnügten, die Schlafzimmertür von innen abgeschlossen hatten, nahmen sie auch die leisen Geräusche, die der Ehemann beim vorsichtigen Aufschließen der Haustür und beim Schleichgang in das obere Stockwerk des Hauses machte, nicht wahr. Und offenbar hatte der gehörnte Ehemann vor der Schlafzimmertür ein wenig gelauscht. Er brach schließlich wutentbrannt die Schlafzimmertür auf und stürzte sich auf den Liebhaber seiner Frau und verprügelte diesen derart, dass Julius nicht nur zu einer mehrtägigen stationären Behandlung ins Krankenhaus gebracht werden musste, sondern auch noch 6 Wochen arbeitsunfähig war.
Wieder genesen nahm sich Julius einen Anwalt und verklagte den Ehemann auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes. Da das Amtsgericht Brakel seine Klage abwies, war eine Berufung beim Landgericht Paderborn erforderlich, hatte doch das Amtsgericht die Kühnheit besessen, ihn darauf hinzuweisen, dass er in das „Allerheiligste der Ehe“ eingedrungen sei, nämlich das Schlafzimmer der Eheleute, und damit einen Anspruch auf Schmerzensgeld verwirkt habe. Diese Ausführungen zeigten, so seine Argumentation, dass der Richter mehr unter Verwendung moralisch-ethischer als juristischer Begriffe geurteilt habe. Doch das Landgericht Paderborn wies die Berufung zurück und bestätigte das Urteil des Amtsgerichts Brakel mit dem Hinweis, das Mitverschulden des Klägers Julius Schwarzbart überwiege hier so sehr, dass es unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Schmerzensgeldanspruchs vorliegend zum völligen Ausschluss eines Anspruchs führe (Urteil vom 12.10.1989, 1 S 197/89). Aber nicht nur der Urteilsspruch als solches, sondern auch die weitergehenden Ausführungen des Gerichts zum Sachvortrag des Klägers und seiner Geliebten als Zeugin sind absolut lesenswert:

„Daß der Beklagte den Kläger körperlich verletzt hat und kein Rechtfertigungsgrund, insbesondere nicht der der Notwehr besteht, ist unter den Parteien außer Streit. Das überwiegende Mitverschulden des Klägers ergibt sich aber daraus, daß dieser den tätlichen Angriff dadurch in erheblichem Maß selbst verursacht hat, daß er nicht nur mit der Ehefrau des Beklagten fremdging, sondern dies auch noch im ehelichen Schlafzimmer des Beklagten geschah.
Die Ehefrau des Beklagten hat als Zeugin ausgesagt, daß sie nicht unbekleidet im Bett gelegen hätten, sondern sich zunächst im Flur der Wohnung aufgehalten hätten, um Konzertkarten zu übergeben. Sie hätten sich dann, als sie den Beklagten heimkommen hörten, nur in der Absicht ins Schlafzimmer begeben, dem Kläger ein unbemerktes Verlassen der Wohnung durch das dortige Fenster zu ermöglichen.
Dabei ist zunächst bereits wenig glaubhaft, daß die Zeugin mit dem Kläger bis zu diesem Zeitpunkt noch kein intimes Verhältnis gehabt haben will. Dagegen spricht nicht allein der Umstand, daß sie sich zu nächtlicher Stunde in Abwesenheit des Beklagten mit dem Kläger in der Wohnung aufhielt, sondern die gesamte Vorgeschichte. Der im selben Hause wohnende Zeuge XY hat bekundet, daß der Kläger des öfteren in der Wohnung übernachtet habe. Weiter kommt hinzu, daß die Ehefrau des Beklagten gemeinsam mit dem Kläger einen Urlaub in Spanien verbracht hat. Daß es sich unter all diesen Umständen bis zum Tage dieses Vorfalls um eine rein freundschaftliche Beziehung gehandelt haben soll, nimmt die Kammer der Zeugin nicht ab. Die Aussage der Zeugin ist voller Widersprüche und Ungereimtheiten. Es spricht alles dafür, daß die Zeugin glaubte, nachdem es ihr anscheinend lange Zeit gelungen war, ihren Mann zu täuschen, dieses werde auch gegenüber dem Gericht gelingen.“

Und die Richter hatten Verständnis für den gehörten Ehemann:
„Die Kammer kann nachvollziehen, daß der Beklagte ungeachtet des gehegten Verdachts nicht darauf gefaßt war, die beiden im ehelichen Schlafzimmer seiner Wohnung im Bett anzutreffen, und daß er unter diesen Umständen in einem Ausbruch spontanen Zorns den Kläger tätlich angriff. In diesem Fall ist das Mitverschulden des Verletzten so hoch zu bewerten, daß jedenfalls ein Schmerzensgeldanspruch nicht besteht.
Das Verhalten des Klägers stellte eine ungeheure Provokation des Beklagten dar. Es offenbart ein besonderes Maß an Hemmungslosigkeit und Unverfrorenheit gegenüber dem Beklagten, wenn der Ehebruch in der Ehewohnung in nicht zu überbietender Dreistigkeit unter schamloser Ausnutzung der Arbeitsbedingungen des Beklagten stattfand.
Daher kann der Kläger bei einer solch schwerwiegenden Beleidigung und Kränkung des Beklagten jedenfalls kein Schmerzensgeld verlangen. Dies würde auch dem Rechtsempfinden der Bevölkerung entsprechen.“

Die Kammer wies aber am Ende des Urteils nochmals ausdrücklich darauf hin, dass das Verhalten des Beklagten gleichwohl rechtswidrig war. Ein Freibrief für Ehemänner, in vergleichbaren Situationen auf die Liebhaber ihrer Ehefrauen einschlagen zu können, kann in dieser Entscheidung schon deshalb nicht gesehen werden (schade eigentlich), weil bei Verletzungen des Kontrahenten nicht nur ein Schmerzensgeldanspruch im Raume steht, sondern auch Ansprüche auf materiellen Schadenersatz, wie z. B. für Arzt- und Krankenhauskosten. Über diese Mithaftung war vorliegend aber nicht durch das Gericht zu entscheiden.

Hinweis:
Während die Rechtsgrundlagen alle echt sind und die Geschichten an der einen oder anderen Stelle ein wenig aufgehübscht wurden, sind die Namen der Protagonisten oder Übertäter und der genannten Orte natürlich alle frei erfunden und jede Übereinstimmung mit echten Personen wäre rein zufällig.

Ich freue mich, in den nächsten Wochen auch weitere Anekdoten mit Ihnen teilen zu können. Und denken Sie immer daran, dass „die Tätigkeit eines Steuerberaters auch vornehmlich zum Zwecke der Befriedigung persönlicher Neigungen betrieben werden kann.“ (FG Köln vom 19.5.2010, 10 K 3679/08). Und diese Aussage lässt sich auf alle rechtsberatenden Berufe übertragen.


Über Ralf Sikorski
Dipl.-Finanzwirt Ralf Sikorski war viele Jahre Dozent an der Fachhochschule für Finanzen in Nordrhein-Westfalen mit den Schwerpunkten Umsatzsteuer und Abgabenordnung und anschließend Leiter der Betriebsprüfungsstelle in einem Finanzamt. Seine Dozentenrolle nahm er daneben als Unterrichtender in Steuerberaterlehrgängen und Bilanzbuchhalterlehrgängen wahr, heute ist er noch in zahlreichen Fortbildungsveranstaltungen tätig, u. a. in den sog. Bilanzbuchhalter-Updates. Darüber hinaus hat er sich als Autor unzähliger steuerlicher Lehr- und Praktikerbücher insbesondere zu den o. g. Fachbereichen und Herausgeber eines Kommentars zur Abgabenordnung einen Namen gemacht. Seine Stilblütensammlungen „Meine Frau ist eine außergewöhnliche Belastung“, „Wo bitte kann ich meinen Mann absetzen“, „Ich war Hals über Kopf erleichtert“ und ganz aktuell „Im Namen des Volkes“ sowie das Märchenbuch „Von Steuereyntreibern und anderen Blutsaugern“ runden sein vielfältiges Tätigkeitsbild ab.

Hinweis:
Die Illustration stammt von Philipp Heinisch, der seine Anwaltsrobe 1990 an den Nagel hängte und Zeichner, Maler und Karikaturist wurde (www.kunstundjustiz.de).

Kontakt
Wir sind für Sie da

Haben Sie nicht etwas vergessen?

Kein Problem! Wir haben Ihren Warenkorb für Sie gespeichert!
Nur noch ein paar Klicks und schon kommen Sie Ihrem Weiterbildungsziel ein Stück näher.
 
Sind Sie sich noch unsicher oder benötigen Beratung? Zögern Sie nicht uns zu kontaktieren! Wir beraten Sie gern und klären alle offenen Fragen.

Nichts mehr verpassen!

Angebote, regelmäßige Infos und Tipps zum Thema Weiterbildung & Karriere  - Bleiben Sie mit unserem Newsletter immer auf dem Laufenden. Jetzt anmelden!