Hintergrund: Mit dem MoMiG hat der Gesetzgeber das Eigenkapitalersatzrecht aufgehoben und durch eine insolvenzrechtliche Regelung ersetzt. Darlehen, die ein Gesellschafter seiner Gesellschaft gegeben hat, sind danach im Insolvenzverfahren der Gesellschaft nachrangig zu erfüllen. Eine Kapitalbindung tritt nicht mehr ein. Seitdem war umstritten und höchstrichterlich ungeklärt, welche Auswirkungen dies steuerrechtlich auf die Rechtsprechung zu nachträglichen Anschaffungskosten hat. Bisher nahm der BFH nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung an, wenn das Darlehen oder die Bürgschaft eigenkapitalersetzend waren. Nachträgliche Anschaffungskosten minderten den Veräußerungs- oder Auflösungsgewinn oder erhöhten einen entsprechenden Verlust. Bei der Frage, ob die Finanzierungshilfe des Gesellschafters eigenkapitalersetzend war, orientierte sich der BFH an den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben zum sog. Eigenkapitalersatzrecht. Sachverhalt: Streitig ist die Berücksichtigung von Aufwendungen aus der Inanspruchnahme als Bürge bei der Ermittlung eines Auflösungsverlusts nach § 17 EStG in der im Streitjahr 2011 geltenden Fassung: Der Kläger, Alleingesellschafter einer GmbH, hatte Bürgschaften für deren Bankverbindlichkeiten übernommen. In der Insolvenz der GmbH wurde er von der Gläubigerbank aus der Bürgschaft in Anspruch genommen. Da er mit seinem Regressanspruch gegen die insolvente GmbH ausgefallen war, begehrte er die steuerliche Berücksichtigung der in diesem Zusammenhang geleisteten Zahlungen auf Grundlage der bisherigen BFH-Rechtsprechung. Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:
- Mit der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts ist die gesetzliche Grundlage für die bisherige Annahme von nachträglichen Anschaffungskosten entfallen.
- Nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung sind deshalb - wie auch ansonsten im EStG - nur noch nach Maßgabe der handelsrechtlichen Begriffsdefinition in § 255 HGB anzuerkennen.
- Allerdings sind die bisherigen Grundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen aus Gründen des Vertrauensschutzes weiter anzuwenden, wenn der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum Tag der Veröffentlichung dieses Urteils geleistet hat oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden ist.
Diese Fälle sind daher, wenn es für die Steuerpflichtigen günstiger ist, weiterhin nach den bisher geltenden Grundsätzen zu beurteilen.
Die Entscheidung hat große Auswirkung auf die Finanzierung von Kapitalgesellschaften durch Gesellschafterdarlehen und die Absicherung von Darlehen durch Bürgschaften des Gesellschafters. In einer Reihe weiterer Fälle wird der BFH demnächst die neuen Grundsätze konkretisieren. Quelle: BFH, Urteil vom 11.07.2017 - IX R 36/15 sowie BFH, Pressemitteilung vom 27.09.2017 (il) Hauptbezug: BFH, Urteil vom 11.07.2017 - IX R 36/15, NWB DokID: VAAAG-58248Verwandte Artikel:
- Dorn, Nachträgliche Anschaffungskosten i. S. des § 17 EStG durch Bürgschaftsinanspruchnahme?, NWB 24/2017 S. 1796, NWB DokID: IAAAG-46678

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