Hintergrund: Bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags sind die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie den Steuerfestsetzungen des VZ, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, (…), zu Grunde gelegt worden sind (§ 10d Abs. 4 Satz 4 EStG). Nach § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG dürfen die Besteuerungsgrundlagen (…) nur insoweit abweichend von der Einkommensteuerfestsetzung berücksichtigt werden, wie die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerbescheide ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer unterbleibt. Dies gilt nach § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG i.d.F. des JStG 2010 für alle Verluste, für die nach dem 13.12.2010 eine Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags abgegeben wird.
Sachverhalt: Die Klägerin absolvierte in den Streitjahren 2005 bis 2007 eine berufliche Erstausbildung. Sie reichte 2012 Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre sowie Erklärungen zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs auf den 31.12.2005, 31.12.2006 und 31.12.2007 ein. Sie machte Berufsausbildungskosten als vorab entstandene Werbungskosten geltend. Einnahmen erzielte die Klägerin nicht. Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer zunächst auf 0 € fest. Die Berufsausbildungskosten berücksichtigte es als Sonderausgaben. Eine Verlustfeststellung wurde unter Hinweis auf das Fehlen ausgleichsfähiger negativer Einkünfte abgelehnt. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Mit seiner Einspruchsentscheidung hob das Finanzamt die Einkommensteuerbescheide 2005 bis 2007 auf und wies die Einsprüche im Übrigen als unbegründet zurück. Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht hob die Einspruchsentscheidung auf. Nicht betroffen hiervon war aber die Aufhebung der Steuerbescheide 2005 bis 2007 (FG Düsseldorf, Urteil v. 7.5.2014 - 15 K 14/14 E,F).
Hierzu führte der BFH weiter aus:
- Mit der Regelung des § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG wird eine inhaltliche Bindung des Verlustfeststellungsbescheids an den Einkommensteuerbescheid erreicht, obwohl der Einkommensteuerbescheid kein Grundlagenbescheid ist.
- Die Bindungswirkung greift nach dem Wortlaut des Gesetzes in § 10d Abs. 4 Satz 4 1. Halbsatz EStG nur ein, wenn die streitigen Besteuerungsgrundlagen "den Steuerfestsetzungen des Veranlagungszeitraums (...) zu Grunde gelegt worden sind".
- Die Bindungswirkung setzt daher voraus, dass eine Einkommensteuerveranlagung (ggf. mit einer festzusetzenden Steuer von 0 €) durchgeführt worden ist.
- Wurde für das Verlustentstehungsjahr hingegen keine Einkommensteuerveranlagung durchgeführt oder wurde die durchgeführte Veranlagung wieder aufgehoben, werden keine Besteuerungsgrundlagen einer Einkommensteuerveranlagung zu Grunde gelegt, mithin kann daher auch keine Bindungswirkung entstehen, so dass der Erlass eines Verlustfeststellungsbescheids weiterhin möglich ist.
- Im Streitfall war damit die Durchführung einer Verlustfeststellung auf die streitigen Feststellungszeitpunkte möglich. Denn eine Einkommensteuerveranlagung, die mit ihrer Bindungswirkung der Berücksichtigung der streitigen Besteuerungsgrundlagen entgegensteht, ist mit der Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 2005 bis 2007 nicht mehr vorhanden.
Hauptbezug: BFH, Urteil v. 13.1.2015 - IX R 22/14, NWB DokID: GAAAE-89049
Verwandte Artikel:
- Pressemitteilungen des BFH oder die Leiden eines jungen Bloggers, NWB Experten-Blog
- Schmidt, Studienkosten/Bildungsaufwendungen, Grundlagen, NWB DokID: CAAAE-86172
- Mindermann/Blatt, Verlustausgleich – Verlustabzug, Grundlagen, NWB DokID: CAAAE-60556
- Kreft, Berufsausbildung: Begriff der erstmaligen Berufsausbildung ab VZ 2015 - Schaubild, SteuerStud 2/2015 S. 67, NWB DokID: IAAAE-82178
- Braun, Wie man teure Ausbildungs- und Studienkosten durchsetzt, NWB 50/2014 S. 3834, NWB DokID: BAAAE-80582
- Butler, Die Neuordnung der Verlustfeststellungsmodalitäten zwecks Verlustvortrags, NWB 21/2013 S. 1636, NWB DokID: EAAAE-35762
- Korn, Werbungskostenabzugsverbot für erstmalige Berufsausbildung und Erststudium auf dem Prüfstand, NWB 47/2014 S. 3520, NWB DokID: JAAAE-78985
- Sikorski, Verfahrensrechtliche Problemfelder beim Verlustausgleich nach dem JStG 2010, NWB 26/2011 S. 2191, NWB DokID: TAAAD-85410
- OFD Frankfurt/M. v. 2.10.2014 Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags, NWB DokID: GAAAE-78519

RA, Dipl.-Finanzwirt (FH) Thomas Egle (v.i.S.d.P.)
Ass. jur. Andreas Illi
NWB Verlag GmbH & Co. KG
Eschstr. 22 - 44629 Herne
www.nwb.de