Hintergrund: Schon nach bisheriger Rechtsprechung liegt das Werkstattrisiko grundsĂ€tzlich beim SchĂ€diger. Ăbergibt der GeschĂ€digte das beschĂ€digte Fahrzeug an eine Fachwerkstatt zur Instandsetzung, ohne dass ihn insoweit ein (insbesondere Auswahl- oder Ăberwachungs-) Verschulden trifft, so sind die dadurch anfallenden Reparaturkosten im VerhĂ€ltnis des GeschĂ€digten zum SchĂ€diger deshalb auch dann vollumfĂ€nglich ersatzfĂ€hig, wenn sie aufgrund unsachgemĂ€Ăer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt unangemessen, mithin nicht erforderlich im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB sind. In einem solchen Fall gegebenenfalls bestehende AnsprĂŒche des GeschĂ€digten gegen den Werkstattbetreiber spielen nur insoweit eine Rolle, als der SchĂ€diger im Rahmen des Vorteilsausgleichs deren Abtretung verlangen kann. Nicht erfasst vom Werkstattrisiko sind Reparaturen, die nur bei Gelegenheit der Instandsetzungsarbeiten mitausgefĂŒhrt worden sind. Der GeschĂ€digte trĂ€gt daher die Darlegungs- und Beweislast fĂŒr das Vorhandensein und die Unfallbedingtheit der jeweiligen FahrzeugschĂ€den.
Hierzu fĂŒhrt der BGH u.a. weiter aus:
- Im Verfahren VI ZR 253/22 hat der BGH klargestellt, dass das Werkstattrisiko nicht nur fĂŒr solche Rechnungspositionen greift, die ohne Schuld des GeschĂ€digten etwa wegen unsachgemĂ€Ăer oder unwirtschaftlicher AnsĂ€tze von Material oder Arbeitszeit ĂŒberhöht sind. ErsatzfĂ€hig im VerhĂ€ltnis des GeschĂ€digten zum SchĂ€diger sind vielmehr auch diejenigen Rechnungspositionen, die sich auf - fĂŒr den GeschĂ€digten nicht erkennbar - tatsĂ€chlich nicht durchgefĂŒhrte einzelne Reparaturschritte und -maĂnahmen beziehen. Denn auch insofern findet die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom GeschĂ€digten nicht kontrollierbaren EinflusssphĂ€re statt. Soweit der SchĂ€diger das Werkstattrisiko trĂ€gt, verbietet sich im Schadensersatzprozess zwischen GeschĂ€digtem und SchĂ€diger mangels Entscheidungserheblichkeit eine Beweisaufnahme ĂŒber die objektive Erforderlichkeit der in Rechnung gestellten Reparaturkosten.
- Der BGH hat ferner entschieden (VI ZR 51/23), dass der GeschĂ€digte bei Beauftragung einer Fachwerkstatt grundsĂ€tzlich darauf vertrauen darf, dass diese keinen unwirtschaftlichen Weg fĂŒr die Schadensbeseitigung wĂ€hlt. Er ist daher nicht gehalten, vor der Beauftragung der Fachwerkstatt zunĂ€chst ein SachverstĂ€ndigengutachten einzuholen und den Reparaturauftrag auf dieser Grundlage zu erteilen. Aber auch wenn der GeschĂ€digte ein SachverstĂ€ndigengutachten einholt und die Auswahl des SachverstĂ€ndigen der Werkstatt ĂŒberlĂ€sst ("Schadensservice aus einer Hand"), fĂŒhrt allein dies nicht zur Annahme eines Auswahl- oder Ăberwachungsverschuldens.
- Die Anwendung der GrundsÀtze zum Werkstattrisiko setzt nicht voraus, dass der GeschÀdigte die Reparaturrechnung bereits bezahlt hat. Soweit der GeschÀdigte die Reparaturrechnung nicht beglichen hat, kann er - will er das Werkstattrisiko nicht selbst tragen - die Zahlung der Reparaturkosten allerdings nicht an sich, sondern nur an die Werkstatt verlangen (VI ZR 253/22, VI ZR 266/22, VI ZR 51/23):
- Hat der GeschĂ€digte die Rechnung der Werkstatt nicht (vollstĂ€ndig) beglichen, ist nĂ€mlich zu berĂŒcksichtigen, dass ein Vorteilsausgleich durch Abtretung etwaiger GegenansprĂŒche des GeschĂ€digten gegen die Werkstatt an den SchĂ€diger aus RechtsgrĂŒnden nicht gelingen kann, wenn der GeschĂ€digte auch nach Erhalt der Schadensersatzleistung vom SchĂ€diger von der (Rest-)Zahlung an die Werkstatt absieht. Zugleich wĂ€re der GeschĂ€digte durch den Schadensersatz bereichert, wenn er vom SchĂ€diger den vollen von der Werkstatt in Rechnung gestellten Betrag erhielte, gegenĂŒber der Werkstatt aber die Zahlung eines Teilbetrages unter Berufung auf den insoweit fehlenden VergĂŒtungsanspruch oder auf einen auf Freistellung gerichteten Gegenanspruch verweigerte. DemgegenĂŒber wĂ€re der SchĂ€diger schlechter gestellt, als wenn er die Reparatur der beschĂ€digten Sache selbst veranlasst hĂ€tte; denn im letzteren Fall hĂ€tte er als Vertragspartner der Werkstatt die Zahlung der zu hoch berechneten VergĂŒtung verweigern können.
- Aus diesem Grund kann der GeschĂ€digte, der sich auf das Werkstattrisiko beruft, aber die Rechnung der Werkstatt noch nicht (vollstĂ€ndig) bezahlt hat, von dem SchĂ€diger Zahlung des von der Werkstatt in Rechnung gestellten (Rest-)Honorars nur an die Werkstatt und nicht an sich selbst verlangen, Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger (das Werkstattrisiko betreffender) AnsprĂŒche des GeschĂ€digten gegen die Werkstatt. WĂ€hlt der GeschĂ€digte bei unbezahlter Rechnung hingegen Zahlung an sich selbst, so trĂ€gt er und nicht der SchĂ€diger das Werkstattrisiko. Er hat dann im Schadensersatzprozess gegen den SchĂ€diger oder dessen Haftpflichtversicherer gegebenenfalls zu beweisen, dass die abgerechneten ReparaturmaĂnahmen tatsĂ€chlich durchgefĂŒhrt wurden und dass die Reparaturkosten nicht etwa wegen ĂŒberhöhter AnsĂ€tze von Material oder Arbeitszeit oder wegen unsachgemĂ€Ăer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt nicht erforderlich sind. SchlieĂlich steht es dem GeschĂ€digten im Rahmen von § 308 Abs. 1 ZPO frei, vom SchĂ€diger statt Zahlung Befreiung von der Verbindlichkeit gegenĂŒber der Werkstatt zu verlangen. In diesem Fall richtet sich sein Anspruch grundsĂ€tzlich und bis zur Grenze des Auswahl- und Ăberwachungsverschuldens danach, ob und in welcher Höhe er mit der Verbindlichkeit, die er gegenĂŒber der Werkstatt eingegangen ist, beschwert ist. Es ist also die Berechtigung der Forderung, von der freizustellen ist, und damit die werkvertragliche Beziehung zwischen GeschĂ€digtem und Werkstatt maĂgeblich.
- SchlieĂlich hat der Senat entschieden (VI ZR 38/22, VI ZR 239/22), dass sich die Option des GeschĂ€digten, sich auch bei unbeglichener Rechnung auf das Werkstattrisiko zu berufen, nicht im Wege der Abtretung auf Dritte ĂŒbertragen lĂ€sst (Rechtsgedanke des § 399 BGB). Denn der SchĂ€diger hat insoweit ein besonders schutzwĂŒrdiges Interesse daran, dass der GeschĂ€digte sein GlĂ€ubiger bleibt. Allein im VerhĂ€ltnis zu diesem ist nĂ€mlich die DurchfĂŒhrung des Vorteilsausgleichs in jedem Fall möglich, weil der Schadensersatzanspruch gegen den SchĂ€diger und die im Wege des Vorteilsausgleichs abzutretenden (etwaigen) AnsprĂŒche gegen die Werkstatt in einer Hand (beim GeschĂ€digten) liegen. Im Ergebnis trĂ€gt daher bei Geltendmachung des Anspruchs aus abgetretenem Recht stets der Zessionar das Werkstattrisiko.
Hinweis:
Weitere Informationen zu den einzelnen StreitfÀllen können Sie in der Pressemitteilung des BGH nachlesen.
Quelle: BGH, Pressemitteilung v. 16.1.2024 (il)
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