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Vertrauensschutz bei langjähriger falscher Handhabung durch das Finanzamt?

Endriss Newsletter Juli 2025

Darf der Fortbestand einer bisherigen langjährigen steuerlichen Behandlung zugunsten eines Steuerpflichtigen allein unter Hinweis auf das Prinzip der Abschnittsbesteuerung abgelehnt werden? – Über diese spannende Frage muss der Bundesfinanzhof befinden. Das FG Düsseldorf hat erwartungsgemäß geurteilt, dass eine Berufung auf einen Vertrauensschutztatbestand nicht möglich ist. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision war aber überraschenderweise erfolgreich.

Wenn das Finanzamt viele Jahre lang Aufwendungen steuermindernd anerkennt – z. B. als Werbungskosten –, ist es für Steuerlaien zumeist nur sehr schwer verständlich, wenn diese für die Zukunft nicht mehr bei der Einkommensteuer berücksichtigt werden, obwohl sich die Verhältnisse nicht geändert haben. Also ohne dass sich das Gesetz geändert oder es ein einschneidendes Urteil des Bundesfinanzhofs gegeben hat. Als Steuerprofi wissen Sie natürlich, dass dies mit dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung zusammenhängt.

Die Grundlagen der Einkommensteuer als Jahressteuer werden demnach für das jeweilige Kalenderjahr ermittelt. Das Finanzamt hat für jeden Veranlagungszeitraum den Sachverhalt erneut zu prüfen und auch rechtlich zu würdigen. Es ist an die Sachbehandlung in früherer Zeit grundsätzlich nicht gebunden. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn es sich für die Folgejahre durch Zusagen oder Zusicherungen festgelegt hat. Etwa, wenn eine kostenpflichtige verbindliche Auskunft erteilt wurde. Eine Ungleichbehandlung gleichartiger Sachverhalte in verschiedenen Veranlagungszeiträumen verstößt im Normalfall nicht gegen den Gleichheitssatz. So kommt es vor, dass bspw. eine jahrelang anerkannte doppelte Haushaltsführung gestrichen wird, wenn ein neuer Sachbearbeiter nachrechnet und feststellt, dass die Entfernung zwischen dem Hauptwohnsitz und dem Zweitwohnsitz nicht ausreicht, um die Notwendigkeit eines doppelten Haushalts zu begründen.

Es gelingt daher regelmäßig nicht, den Sachbearbeiter mit dem Argument zu überzeugen: „Aber in der Vergangenheit habt ihr das doch immer anerkannt”. Vielmehr muss das Finanzamt eine als falsch erkannte Rechtsauffassung zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufgeben. Dies gilt auch dann, wenn die Finanzbehörde über einen längeren Zeitraum hinweg eine falsche, für den Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten hat und dieser darauf vertraut hat. Einen irgendwie gearteten Vertrauensschutz gibt es in diesen Fällen nicht. Auch nicht etwa nach dem allgemeinen Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben.

Es hat daher wohl keinen Steuerfachmann überrascht, als das FG Düsseldorf [1] kürzlich im Hinblick auf die Besteuerung von Ruhegeldzahlungen an die Witwe eines Zahnarztes entschieden hatte: Die jahrzehntelange – für die Frau günstigere – steuerliche Berücksichtigung als sonstige Einkünfte durch die Finanzverwaltung steht der nunmehrigen – materiell-rechtlich zutreffenden – Erfassung als nachträgliche Einnahmen i. S. von § 18 i. V. mit § 24 EStG nicht entgegen. Insbesondere kann sich die Klägerin aufgrund des Prinzips der Abschnittsbesteuerung nicht auf einen Vertrauensschutztatbestand berufen.

Die Finanzrichter aus der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt sahen keinen Grund, die Revision zuzulassen. Die Zahnarztwitwe hat allerdings nicht klein beigegeben und gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde erhoben. Und siehe da: Sie war damit vor dem Bundesfinanzhof erfolgreich. Der VIII. Senat des BFH wird sich mit dem Fall befassen müssen.

Neugierig macht die Rechtsfrage, die in der offiziellen Datenbank des Bundesfinanzhofs verzeichnet ist. Dort heißt es: Darf der Fortbestand einer bisherigen langjährigen steuerlichen Behandlung allein unter Hinweis auf das Prinzip der Abschnittsbesteuerung abgelehnt werden?

Im Streitfall hatte das Finanzamt 40 Jahre lang eine falsche, für die Steuerzahlerin günstige Auffassung vertreten. – Wir sind gespannt, zu welchem Ergebnis die obersten deutschen Steuerrichter in diesem extremen Sonderfall kommen werden.

Fundstelle(n):
Steuern mobil Online Beitrag 2025
NWB OAAAJ-94655

[1] FG Düsseldorf, Urteil v. 10.11.2023 - 3 K 1608/21 E NWB GAAAJ-84177 – Az. beim BFH: VIII R 34/24

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